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Fischland-Rache

Fischland-Rache

Titel: Fischland-Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Kastner
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dubiosen Geschäfte. Suchen wir nach Personen, die ein Motiv und die Gelegenheit hatten, den Mord zu begehen. So sind unsere Chancen am größten. Einverstanden?« Ohne eine Antwort abzuwarten, ergänzte er: »Für Sie, Frau Voß, hätte ich noch eine Sonderaufgabe. Besuchen Sie Ihren Onkel in der JVA, und überzeugen Sie ihn, endlich mit uns zu kooperieren.« Er fischte einen Zettel aus der Innentasche seines Jacketts und schob ihn Kassandra hin. »Sie müssen das vorher beantragen, rufen Sie diese Nummer an. Der nächste Besuchstag ist Dienstag, ich hoffe, es klappt bis dahin mit den Formalitäten.«
    Bereitwillig stimmte Kassandra zu. In der folgenden halben Stunde stellte sie fest, dass man sich mit Kay Dietrich auch über ganz Alltägliches unterhalten konnte. Er blieb immer ein wenig auf Distanz, aber angesichts der Situation war das nachvollziehbar. Bevor sie aufbrachen, entschuldigte sich Kassandra für einen Moment. Als sie zurückkam, versperrten ihr andere Gäste den direkten Weg zum Tisch, sodass sie hinter ein paar aufgehängten Mänteln warten musste. Sie konnte Paul und Dietrich nicht sehen, aber sie hörte, wie Letzterer gerade sagte: »… gehabt haben. War es so?«
    Paul antwortete nicht darauf, jedenfalls nicht laut. Die anderen Gäste waren gegangen, und sie wollte sich gerade wieder zu den beiden Männern setzen, da ließ Dietrichs nächste Frage sie innehalten.
    Â»Weiß Frau Voß das?«
    Â»Nicht alles«, sagte Paul flach.
    Â»Was Sie ihr erzählen und was nicht, ist Ihre Sache, aber …« Dietrich zögerte merklich. »Hören Sie, ich kann das eine oder andere – eine Zeit lang wenigstens – in meinem Schreibtisch vergraben und … vergessen. Aber es wird schwierig für mich, wenn Sie sich in meiner Gegenwart in Widersprüche verwickeln. Ich bin immer noch Polizist.«
    Paul schwieg einen Moment. »Widersprüche?«, wiederholte er dann.
    Â»Mir ist, als hätten Sie vorgestern angegeben, Ihr Bruder sei sehr ausfallend geworden, als Sie beide wegen des Geldes gestritten haben«, erklärte Dietrich. »Vorhin klang es dagegen, als hätte er niemals auch nur seine Stimme erhoben.«
    Â»Oh. Das war kein Widerspruch. Sehr leise sehr ausfallend zu werden, war Saschas Spezialität.«
    Â»Tatsächlich.«
    Â»Ja. Tatsächlich.«
    Kassandra stand noch immer hinter den Mänteln und fragte sich, ob sie erfahren würde, wovon sie nicht alles wusste, wenn sie weiter hier stehen blieb. Da ergriff Paul wieder das Wort.
    Â»Warum tun Sie das für mich, Herr Dietrich?«
    Diesmal war es der Kommissar, der eine Weile schwieg. »Was tu ich denn? Für die Kollegen sieht alles ganz eindeutig aus, und solange Sie ein Alibi haben, müssen mich Ihre möglichen Motive nicht übermäßig interessieren.«
    Das war der Augenblick, den Kassandra wählte, um sich bemerkbar zu machen.

7
    Â»Ich hätte vorgewarnt sein müssen, schließlich kannte ich Sascha. Wieso kotzt mich das hier trotzdem dermaßen an?« Seufzend nahm Paul seine Lesebrille ab und warf sie auf den Schreibtisch. Er hatte am Abend zuvor noch begonnen, sich in das Notizbuch seines Bruders zu vertiefen. Jetzt sah er nicht nur angewidert, sondern auch erschöpft aus.
    Â»Du hast den Code geknackt.« Kassandra, die gerade ihr Telefonat mit Violetta beendet hatte, kam vom Sofa zu ihm rüber.
    Â»Teilweise.« Paul versetzte Saschas kleinem Buch einen so heftigen Schubs, dass es über die Tischplatte segelte und zu Boden fiel. »Er hat mit seinen Aufzeichnungen in den Siebzigern begonnen, sich aber Ende der Achtziger einen noch ausgetüftelteren Schlüssel einfallen lassen. Um das vollständig zu decodieren, werde ich etwas mehr Zeit brauchen. Die Achtziger bin ich aber sowieso nur stichprobenartig durchgegangen. Es geht nämlich seit Ende der Siebziger nur noch sporadisch ums Fischland, und bis dahin habe ich alles gelesen. Keine dramatischen Dinge, nichts, wofür man einen Mord begeht, vor allem, weil das alles heute längst keine Relevanz mehr haben dürfte. Andererseits …«, er hob etwas ratlos die Schultern, »bin ich bloß ein Außenstehender, und es ist immer eine Frage des persönlichen Gefühls, was für jemanden dramatisch ist – oder werden kann. Also reicht es vielleicht, um ein paar der erwähnten Leute

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