Fischland-Rache
lassen?«
So weit hatte Kassandra noch gar nicht gelesen. Ganz unten auf dem Blatt stand: »Die Beisetzung findet am Donnerstag, dem 24. November 2011, um 13 Uhr auf dem Fischländer Friedhof in Wustrow statt. Von Blumenspenden bitten wir abzusehen.«
»Dort ist er geboren, dort wird er beerdigt«, sagte Margarethe Freese fest. »Ich habe bereits alles in die Wege geleitet, gleich nachdem ich von der Polizei die Genehmigung erhalten hatte.«
Immer noch fassungslos starrte Paul auf das Blatt. »Du hast seit Papas Tod keinen Fuà mehr aufs Fischland gesetzt. Warum tust du dir das an?«
Und den Wustrowern, das steht ganz deutlich in sein Gesicht geschrieben, dachte Kassandra und hoffte, dass Margarethe Freese es nicht ebenfalls las.
»Sascha hätte es so gewollt. Er kannte dort so viele Menschen, ich weià nicht, ob das in Stralsund ebenso war. Hier in Schwerin kannte er jedenfalls niemanden. Ich möchte nicht, dass der Friedhof leer bleibt, wenn mein Sohn zu Grabe getragen wird.«
Paul hatte sich vorgebeugt und knallte das Blatt auf den Tisch. »Klar, fraglos wird â¦Â« Er brach abrupt ab und lieà sich ins Sofa zurückfallen.
»Sprich dich ruhig aus«, sagte Margarethe Freese.
Paul holte tief Luft. »Fraglos werden ein paar Leute mehr kommen, wenn sie nicht extra nach Schwerin fahren müssen.«
Margarethe Freese nickte bedächtig. »Das denke ich auch. Könntest du vielleicht für hinterher eine Kaffeetafel organisieren? Ich weià ja gar nicht mehr, welche Lokale es noch in Wustrow gibt.«
Dafür, dass Paul ursprünglich nicht mal zur Beerdigung hatte gehen wollen, bekam er plötzlich eine Menge damit zu tun. Kassandra konnte sich nicht vorstellen, dass er in Wustrow der Beisetzung wirklich fernbleiben würde. »Das kann ich gern erledigen, wenn Ihnen das recht ist«, schlug sie vor.
Margarethe Freese nahm ihr Angebot dankend an. Sie verabredeten überdies, dass Paul seine Mutter am Mittwoch abholen und sie bei Kassandra wohnen würde, weil es in seinem Haus keinen separaten Raum mehr gab. Danach widmeten sie sich wieder anderen Themen, bis sie sich verabschiedeten und Margarethe Freese zum ersten Mal Tränen in die Augen stiegen. Paul umarmte seine Mutter, vorsichtig, als hätte er Angst, sie zu zerbrechen. »Ruf an, wenn du mich brauchst, egal, wann. Du weiÃt, dass ich für dich da bin.«
»Natürlich.« Margarethe Freese nickte, trocknete sich mit einem Stofftaschentuch die Augen und schloss die Tür hinter ihnen.
»Was wolltest du tatsächlich sagen vorhin?«, fragte Kassandra im Wagen. DrauÃen hatte sich die Sonne verabschiedet, die StraÃe wirkte im Dämmerlicht und unter der groÃen Kirche ein bisschen unheimlich.
»Dass wahrscheinlich halb Wustrow zur Beerdigung erscheint, nur um sich zu überzeugen, dass Sascha wirklich tot ist. Ich hätte mir nie verziehen, wenn mir das in Gegenwart meiner Mutter rausgerutscht wäre.«
»Ist es ja nicht. Obwohl ich glaube, sie weià ganz genau, dass dir was anderes auf der Zunge lag. Vielleicht ist ihre Lösung gar nicht mal die schlechteste â wir könnten uns ein bisschen im Beobachten üben, wer weiÃ, was und wen wir alles zu sehen kriegen. Möglicherweise kommt sogar Clemens Meisner, falls er Donnerstag noch in der Gegend ist.«
»AuÃer dem Konzert in Greifswald heute stehen noch zwei auf Rügen und eins auf Usedom auf seinem Plan«, meinte Paul. »Wer weià also, vielleicht hast du recht.«
9
Zurück in Wustrow, hielt Paul in der Einfahrt zur BergstraÃe und sprang aus dem Wagen. »Bin gleich zurück.«
Kassandra sah ihn »Hauiâs Fisch & mehr« betreten und lachte auf. Hatte er vor, ihr heute Abend seine berühmte Scholle zu kredenzen?
Genau das tat er. Er würzte und panierte den Fisch so schnell und geübt, als hätte er in den letzten zwanzig Jahren nichts anderes gemacht. Während die Schollen in der Bratpfanne brutzelten und goldbraun wurden, bereitete er einen grünen Salat zu und rührte dafür eine Zitronenmarinade an. Kassandra hatte Paul bisher höchstens Rühreier, Spiegeleier und gelegentlich Bratkartoffeln machen sehen. Das schmeckte zwar hervorragend, dennoch wäre sie nie und nimmer auf die Idee gekommen, dass er damit seine Fähigkeiten weit unter den Scheffel stellte.
»Nicht wie bei Inga«, sagte Paul
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