Fischland-Rache
schmunzelnd, als er den Fisch servierte. »Und der Kopfsalat ist naturgemäà im November aus dem Treibhaus. Trotzdem: Probier.«
Vorsichtig stieà Kassandra mit der Gabel in die krosse Panade, unter der zartes weiÃes Fleisch zum Vorschein kam. Sie nahm einen Bissen, kaute in aller Ruhe, ohne Paul anzusehen, und nahm einen zweiten Bissen.
»Würdest du bitte was sagen?«, fragte Paul, der seinen eigenen Fisch noch nicht angerührt hatte.
Kassandra lieà sich nicht stören. Sie pikte ihre Gabel in den Salat und probierte auch den, bevor sie endlich hochschaute. »Inga kann einpacken.«
Paul grinste. »Danke. Aber ich denke, wir machen uns keine Konkurrenz. So was Simples wie Scholle hab ich jedenfalls noch nicht auf ihrer Karte gesehen.«
»Wenn, würde ich sie nicht essen, die kann gar nicht so gut sein wie deine. Erzähl mir von deiner Fischbude.«
Paul fing ebenfalls an zu essen und erfüllte nebenbei Kassandras Bitte. Was er erlebt hatte, war mal lustig, mal regte es zum Nachdenken an â und einiges davon kam ihr bekannt vor. Paul sah ihr an, was sie dachte, und grinste wie eben. »Du kennst dich bestens aus mit Alexander Hardenberg. Irgendwann hab ich angefangen, ein paar Sachen aufzuschreiben, nur so nebenbei, ohne dass ich je daran gedacht hätte, das zu veröffentlichen. Dann hat Bruno eines Tages meine Notizen in die Hände gekriegt und gemeint, ich solle ein Buch draus machen. Ich hab das nicht ernst genommen, er aber schon, er hat dauernd wieder davon angefangen. Trotzdem hat es noch ein paar Jahre gedauert, bis ich aus mehreren Geschichten eine gemacht und die an einen Verlag geschickt habe. Weil Bruno nicht aufhörte, mich zu nerven.«
»Der Mann verdient einen Orden«, fand Kassandra.
Paul stand auf und räumte die Teller zusammen. »Das sowieso. Nicht nur deshalb.«
Das brachte Kassandra wieder auf den Boden der Tatsachen zurück, aber sie kam nicht dazu, weiter darüber nachzudenken. In der Ferne begann Pauls iPhone zu dudeln. »Gehst du mal ran?«, bat er, noch mit dem Geschirr beschäftigt. »Es steckt in meiner Manteltasche.«
»Tag, Frau Voë, meldete sich Dietrich. »Sind Sie Herrn Freeses Anrufbeantworter?«
Kassandra musste lachen. »Ja, sieht ganz so aus. Möchten Sie ihn sprechen? Er hat nur gerade die Hände im Spülbecken.«
»Genau genommen möchte ich mit Ihnen beiden sprechen. Ich bin bei Bruno Ewald und hätte gern, dass Sie dazustoÃen.«
Kassandra erstarrte.
»Sind Sie noch dran?«, fragte Dietrich.
»Ja. Was machen Sie bei Bruno?«
»Meinen Job. Wäre schön, wenn Sie mir dabei helfen würden. Ich warte hier auf Sie.« Dietrich beendete das Gespräch wie immer gruÃlos.
Paul hatte das Geschirr grob gespült und in die Maschine gestellt. »Wer ist bei Bruno?«, wollte er wissen. Das war offenbar das Einzige, was er mitbekommen hatte.
»Dietrich. Er will, dass wir auch kommen.«
Kassandra hätte einiges dafür gegeben zu wissen, was sich jetzt hinter Pauls Stirn abspielte. Da sie keine Gedanken lesen konnte, sah sie nur, dass es ziemlich viel war.
»Gut«, sagte er schlieÃlich äuÃerlich ruhig. »Dann lass uns gehen.«
»Paul â¦Â«
»Hat keinen Zweck, das hinauszuzögern, oder? Bruno wird dichthalten, aber ich werde ihn nicht allein auslöffeln lassen, was ich ihm eingebrockt habe, falls Dietrich ihn zu hart angeht.«
DrauÃen legte er seinen Arm um Kassandra. »Gehen wir zu FuÃ? Mir ist nach Bewegung.«
Auf den ersten Blick wirkte Brunos Haus im Grünen Weg dunkel, keine Lampe brannte hinter den Fenstern. Als Paul das Tor öffnete und es seinen typisch quietschenden Laut von sich gab, fröstelte Kassandra. Sie vergrub ihre Hände tief in den Manteltaschen und spürte etwas zwischen ihren Fingern, was sie ganz vergessen hatte: den Hühnergott, den sie an jenem Tag gefunden hatte, an dem Sascha auf der Bildfläche erschienen war â und der angeblich Glück bringen sollte. Davon hatte sie bisher nichts bemerkt, aber was sie jetzt brauchten, war ohnehin das Glück einer ganzen Hühnergottsammlung.
Offenbar hatte Bruno sie kommen hören â das Geräusch seines Tores musste sie verraten haben. Er öffnete ihnen, ehe sie klingeln konnten.
»Tut mir leid, der stand aus heiterem Himmel vor der Tür, ich hatte keine Möglichkeit
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