Fischland-Rache
da bin ich über die Pläne zu dem Museumscafé gestolpert, das beim neuen Leuchtfeuer neben dem Surf-Center entstehen soll, wenn die Nebelstation von ihrem Standpunkt wegmuss. Da du in der Gemeindevertretung bist, dachte ich, du wüsstest vielleicht, wie weit diese Pläne gediehen sind. Falls du darüber reden darfst, meine ich.«
Die Nebelstation mit dem Leuchtfeuer war ein sensibles Thema in Wustrow, das die Gemüter ziemlich hochkochen lieÃ. Vor gut einhundert Jahren, im März 1911, war sie südwestlich des Ortskerns im Dünenbereich errichtet worden. Zusätzlich zu der zunächst mit Dampf betriebenen Nebelhornanlage hatte man eine Leuchtfeuerlaterne am Schornstein des Maschinenhauses angebracht. Einige Jahrzehnte später war an einer Ecke des Gebäudes ein zehn Meter hoher viereckiger Turm aus rotem Backstein errichtet worden. Als Leuchtfeuer diente eine runde Laterne mit ebenfalls rotem Kegeldach und einer kupfernen Spitze. Während das Nebelsignal heute nicht mehr genutzt wurde, war der Turm im Wesentlichen unverändert geblieben. Das Leuchtfeuer warnte noch immer die Schiffe auf See â und es stand auch noch immer an einer für den Hochwasser- und Küstenschutz äuÃerst ungünstigen Stelle, sodass seit einiger Zeit darüber diskutiert wurde, ein neues Leuchtfeuer an anderer Stelle zu errichten und das alte Gebäude abzureiÃen. Die gröÃten Kontroversen entstanden dadurch, dass man sich nicht einig war, wo und in welcher Art und Weise das neue Leuchtfeuer gebaut werden sollte.
Paul hatte sich als Mitglied der Gemeindevertretung bisher vergeblich den Mund fusselig geredet, damit es zu einer Einigung kam. »Der öffentliche Teil unserer Sitzungen ist ⦠öffentlich«, erklärte er jetzt. »Du kannst jederzeit kommen und dir anhören, was da besprochen wird.«
»Das wusste ich nicht. Ich hab das mit dem Leuchtfeuer und dem Museumscafé in der âºOstsee-Zeitungâ¹ gelesen.«
Kassandra war froh, dass Inga sich auf Paul konzentrierte, sonst wäre ihr sicher aufgefallen, dass Kassandras Brauen bei dieser Bemerkung in die Höhe rutschten.
Paul nickte nur. »Ich enttäusche dich ungern, aber zurzeit sieht es so aus, als würde das mit dem Museumscafé nichts werden. Nächstes Jahr wird die Nebelstation ans Amt für Landwirtschaft und Umwelt übergeben. Die Gemeinde hat bis Ende Dezember Zeit, sich eine Lösung für das Problem zu überlegen, sonst wird als Ãbergang erst mal ein schlichter hässlicher Mast errichtet.«
»Schade. âºCafé unterm Mastâ¹ klingt nicht annähernd so romantisch wie âºCafé unterm Feuerâ¹Â«, fand Inga.
»Dem kann ich nicht widersprechen. Die nächste Sitzung ist im Dezember, falls du Interesse hast, aber ich fürchte, allzu viel wird sich bis dahin nicht tun.«
»Trotzdem danke für deine Mühe, extra herzukommen. Wenn du eine Idee zu einem anderen genialen Standort für ein Bistro haben solltest, nur raus damit.«
»Ich denk drüber nach«, versprach Paul, erhob sich und streckte die Hand aus. »Nacht, Inga.«
Etwas verwundert und ein klein wenig zögernd ergriff Inga seine Hand. »Nacht, Paul.« Kassandra nickte sie nur kurz zu und ging zurück in die Küche.
DrauÃen war Nebel aufgezogen, der leicht um die StraÃenlaternen waberte. Mirko und sein Vater mussten sich zurückgezogen haben, weit und breit war niemand zu sehen.
»Wäre interessant zu erfahren, wann sie das mit dem Museumscafé in der OZ gelesen hat«, sagte Kassandra, während sie neben Paul die NorderstraÃe entlangging. »Vor allem, wenn man bedenkt, dass die Pläne dazu schon wieder vom Tisch waren, bevor Inga überhaupt herkam.«
»Vielleicht liest sie gern uralte Zeitungen«, meinte Paul spöttisch.
»Oder sie hat sich schon für Wustrow interessiert, als sie Mona noch gar nicht kannte. Das würde zu Dietrichs Verdacht passen. Sie hätte sich nur besser über die neuesten Entwicklungen in Sachen Leuchtfeuer informieren sollen.«
Paul lächelte ein bisschen böse. »Wahrscheinlich denkt sie, dies ist ein Dorf, da mahlen die Mühlen langsam.«
Sie liefen weiter bis zur menschenleeren Seebrücke und beobachteten eine Zeit lang, wie die See sanft die Wellenbrecher umspülte, die durch den Nebel kaum zu erkennen waren. Ãber dem Wasser lag eine seltsame
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