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Fischland-Rache

Fischland-Rache

Titel: Fischland-Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Kastner
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nicht wissen solltest. Aber wahrscheinlich ist das alles Unsinn. Ich wollte dir nur aufzeigen, dass du die Gesamtheit berücksichtigen musst, wenn du ermittelst.«
    Kassandra fand, dass Heinz zu viel und zu schnell redete, und war überzeugt, dass er etwas anderes hatte sagen wollen.
    Er hielt sie davon ab nachzubohren, indem er kurzerhand aufstand. »Lass es gut sein, Kassandra. Ich weiß, was ich tue. Vergesst Clemens, der bringt niemanden um. Denkst du an die Bücher? Danke.« Er wandte sich ab und gab einem Beamten ein Zeichen, damit der ihn zurück in seine Zelle brachte.
    Frustriert, dass Heinz sie zu schnell abgebügelt hatte, als dass sie die Sprache noch auf Inga hätte bringen können, verließ Kassandra die JVA . Er schien schrecklich wenig Wert darauf zu legen, hier rauszukommen. Weshalb war er bloß dermaßen stur? Während sie nach Wustrow zurückfuhr, wirbelten Svens Worte über Heinz durch ihre Gedanken: Harter Knochen. Wär mir nicht so sicher wie du, dass er nichts damit zu tun hat.
    Sie weigerte sich zu glauben, dass Heinz Sascha getötet hatte, also blieb nur noch die Möglichkeit, über die sie, Paul und Dietrich ja bereits ganz zu Anfang nachgedacht, die sie bislang aber sträflich vernachlässigt hatten: Heinz wollte jemanden schützen. Wen und warum? Hatte er sich so vehement gegen Clemens Meisner als möglichen Täter ausgesprochen, weil es ihm dabei um ihn ging? Eher unwahrscheinlich, Heinz schien ihn nicht mal sonderlich zu mögen, und Kassandra glaubte nicht, dass das gespielt gewesen war. Sie konnte nur schwer vergessen, wie schnell Meisner Heinz als Schuldigen akzeptiert hatte. Heinz hingegen war zu differenzierteren Überlegungen fähig – er stempelte niemanden als Täter ab, nur weil der ihm unsympathisch war. Im Gegenteil: Er würde jeden verteidigen und schützen, den er für unschuldig hielt, weil er zumindest ahnte, wer Sascha wirklich umgebracht hatte. Und ganz besonders würde er wahrscheinlich genau diese Person schützen. Wen?
    Wie sie schon einmal festgestellt hatten, war sein Freundeskreis so gut wie nicht existent. Er traf sich höchstens auf dem Schießstand mit seinen Vereinskollegen, von denen, soweit Kassandra wusste, niemand aus Wustrow kam. Ansonsten machte er gern lange Spaziergänge – allein. Zumindest ging er immer allein los und kam allein zurück, wenn sie das zufällig mitbekam. Natürlich wusste Kassandra nicht, ob er die ganze Zeit dabei allein blieb, sie hatte das nur nie in Frage gestellt. Letztlich wusste sie nicht mal, ob er wirklich spazieren ging.
    Heinz war ihr Onkel, und sie war auf seine Bitte hin in seinem Haus, dennoch überkam Kassandra das Gefühl, in seine Privatsphäre einzudringen. Seltsamerweise hatte sie dieses Gefühl in Ingas Wohnung nicht gehabt, da hatte die Angst überwogen, erwischt zu werden. Heinz’ Wohnzimmer wurde von einer dunklen Wildledersitzgruppe dominiert, an der gelb gestrichenen Wand gegenüber dem Fenster hing der Druck einer orange-grauen Wolkenformation. Kassandra hatte dieses Bild schon immer faszinierend gefunden und sich gefragt, ob er es ausgesucht hatte und falls ja, was es über Heinz’ Charakter aussagte. Sie war der Lösung keine Spur nähergekommen.
    Jetzt trat sie auf das Bücherregal zu, in dem neben einer Menge Klassiker eine erstaunlich bunte Mischung aus Hermann Kant, Harry Thürk, Irmtraud Morgner, Ulrich Plenzdorf, Liselotte Welskopf-Henrich, Brigitte Reimann, Stanislaw Lem, Ewald Arenz und Christian v. Ditfurth stand. Die meisten Bücher sahen aus, als wären sie mehrmals gelesen worden. Sie hatte mit Heinz bisher kaum über Literatur gesprochen – vielleicht unbewusst, weil dabei unwillkürlich auch Paul Thema geworden wäre. Daher war sie überrascht, in einer Art Heimatecke nicht nur Käthe Miethe, Ottomar Enking und C .  J .  F . Peters zu finden, sondern ebenso Pauls erste drei Romane. Vielleicht hatte Heinz’ Frau Karin die Bücher gelesen, ebenso wie die Liebesgeschichte »Djamila« von Tschingis Aitmatow, nach der Kassandra jetzt versonnen griff. Auf dem Vorblatt erkannte sie Heinz’ Schrift: Für Karin in Liebe – Weihnachten 1978.
    Kassandra schluckte. Für Heinz musste eine Welt zusammengebrochen sein, als Karin starb. Er hatte nur ein einziges Mal über sie gesprochen – und auch das nur Kassandra zuliebe,

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