Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fish im Trüben

Fish im Trüben

Titel: Fish im Trüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Geason
Vom Netzwerk:
Arbeitsethik beizubringen. Nach dem Gesicht zu urteilen, sahen ihre Chancen nicht gut aus.
    Ich fragte Grace nach Precious’ Freundinnen, aber sie blieb vage. Ein paar Mädchen aus der Schule, meinte sie. Freunde?
    »Sie ist sehr jung, Mr. Fish. Ich erlaube ihr nur, mit mehreren zusammen auszugehen.«
    Wem machte Grace da was vor? Für mich sah Precious ganz so aus, als kletterte sie seit ihrem zwölften Lebensjahr aus dem Schlafsaalfenster.
    Ich wollte mit der Schule anfangen, aber Grace lehnte ab. Man hatte der Schulleiterin gesagt, Precious habe einen Nervenzusammenbruch, und Grace dachte immer noch daran, das Mädchen wieder auf St. Clothilde’s zurückzuschicken, falls sie gesund, munter und skandalfrei wiederauftauchte.
    Ich konnte den Job nicht mit hinter dem Rücken gefesselten Händen machen, also ignorierte ich die Wünsche meiner Klientin. Ich rief in der Schule an und gab mich als Arzt aus, der die Lehrer über die seelische Verfassung des Mädchens befragen wollte. Mein aufgeblasenes Medizinergehabe beeindruckte die Schulsekretärin, ließ mich aber nicht bis zur Schulleiterin Vordringen. Statt dessen wurde ich an eine der Lehrerinnen, Joan Brooks, weitergereicht.
    Miss Brooks war so lange freundlich, bis ich Precious’ Namen erwähnte. Obwohl ich so behutsam in sie drang wie ein Gynäkologe aus der feinen Macquarie Street, schien es Miss Brooks seltsam zu widerstreben, über das Mädchen zu reden.
    Nachdem ich mich mit Kaffee und einer Käsesahnetorte gestärkt hatte, rief ich Lizzie auf einen Plausch an und erzählte ihr, daß ich die Schwester von Grace Ho suchte. Lizzie hat unter die meisten Fliesen des Kulturmosaiks von Sydney geschaut: Sie kannte Grace durch ein Interview mit Devon Kent und hatte gehörigen Respekt vor ihr.
    »Wie kommt es, daß du für diese Frau arbeitest?« wollte sie wissen.
    »Sie hat mich darum gebeten.«
    »Red nicht um den heißen Brei. Du weißt, was ich meine. Du weißt, woher sie ihr Geld hat.«
    »Ich liefere ja keine Päckchen für sie aus«, protestierte ich. »Ich suche nach einem ausgerissenen Mädchen.«
    Es herrschte Schweigen, dann sagte Lizzie: »Weißt du, was ich glaube? Ich glaube, du bist ihr verfallen. Sei bloß vorsichtig: Grace frißt große Trottel wie dich zum Frühstück.«
    Der Schuß traf ins Schwarze. Ich war verrückt nach Grace; ich bewunderte ihre kühle Perfektion, ihre Skrupellosigkeit und ihre Fähigkeit, in der schmutzigen und seelenlosen Welt des Drogenhandels zu bestehen. Und Grace hatte eine menschliche Seite — sie war Devon Kent gegenüber loyal geblieben, als der Rest der Meute nach ihrem Blut lechzte.
    »Du bist bloß eifersüchtig«, sagte ich schwach.
    »Nein. Ich bin besorgt um dich. Nimm dich vor Grace und ihren Freunden in acht. Die kennen keinen Spaß.«
    Trotz ihrer Zweifel ließ Lizzie mich nicht hängen. Sie hatte in jedem Netzwerk Sydneys einen Spion; diesmal war es ein Freund mit einer Tochter in St. Clothilde’s.
    »Precious ist anscheinend ein Genie des passiven Widerstands«, erzählte mir Lizzie, als sie ein paar Stunden später zurückrief. »Macht genau, was sie will. Außerdem sieht sie aus wie eine Puppe, hat schöne Kleider und treue Männerfreunde. Die anderen Mädchen hassen sie natürlich. Wahrscheinlich läßt sie die wie Dorftrampel aussehen.«
    Das war schon mal was, aber nicht genug, um mir zu sagen, ob das Mädchen ohne fremdes Zutun abgehauen war.
    Die Hilfe kam von unerwarteter Seite, als ich einen Anruf von Joan Brooks erhielt, die entweder ihrem Gewissen nachgegeben hatte oder ihrem Verlangen, ihr Glück mal mit einem Mediziner zu probieren.
    Wir trafen uns im »Lord Dudley« in Woollahra. Ich erwartete eine Doris Day, aber Joan Brooks sah eher wie Lana Turner aus — kühl, blond und kurvig unter dem Geschäftskostüm. Ich war so überwältigt, daß ich aufstand. Sie streckte die Hand aus. Ich fragte mich, ob von mir erwartet wurde, sie zu küssen, fand aber einen Kompromiß, indem ich sie irgendwie drückte. Sie runzelte leicht die Stirn.
    Zur Wiedergutmachung bestellte ich Champagner beim Barkeeper, der Schwierigkeiten hatte, seinen Blick lange genug von ihrer knackigen weißen Bluse loszureißen, um den Korken aus der Flasche zu kriegen. Wir tauschten Höflichkeiten aus, und dann sagte sie plötzlich: »Sie sind kein Arzt. Wer sind Sie?«
    Sie war eher neugierig als feindselig, also sagte ich: »Und Sie sind nicht Doris Day.« Diesmal runzelte sie ziemlich heftig die Stirn.
    »Können Sie ein

Weitere Kostenlose Bücher