Fish im Trüben
Geheimnis für sich behalten?«
»Wenn es widerwärtig genug ist«, sagte sie, und ich beschloß, daß unsere Miss Brooks in Ordnung war.
»Ich arbeite für Grace Ho«, erklärte ich. »Precious ist sozusagen verlegt worden...«
»Mal was anderes als flachgelegt«, unterbrach sie.
»... zwischen Elizabeth Bay und der Schule«, fuhr ich fort. »Grace möchte sie gern zurückhaben, vorzugsweise ohne die Polizei von New South Wales zu alarmieren, und definitiv ohne TV-Kameras im Schlepptau.«
Joan Brooks meinte, Precious’ Verschwinden sei wahrscheinlich nur ein Durchhänger. »Es gibt keinen richtigen Grund für sie, jetzt durchzubrennen. Die Schule hat ihren Lebensstil niemals ernstlich eingeengt, und Ende des Jahres geht sie sowieso ab.«
»Wie ist sie?« fragte ich.
»Unkontrollierbar. Wenn Grace Ho nicht soviel in den Schulgebäudefonds investiert hätte, dann wäre Precious jetzt wohl auf der örtlichen State High-School. Falls die sie auf nehmen würden.«
»Ist sie so schlecht?«
»Das Mädchen ist genauso verrückt wie Grace Ho, aber sie ist auch noch nymphoman.«
»Sie mögen sie nicht«, sagte ich mit unbewegtem Gesicht.
Sie lachte. »Das stimmt nicht ganz. Sie übt einen schlechten Einfluß in der Schule aus, aber sie ist interessanter als die meisten der Ladies, die wir hervorbringen. Und sie handelt nach ihren Überzeugungen.«
»Als da sind?«
»Gute Drogen, schlechte Männer und das Geld anderer Leute.«
»Klingt vernünftig«, sagte ich. »Glauben Sie, daß sie an die Art von Leuten geraten ist, die für Kidnapping in Frage kommen?«
Das öffnete ihr die Augen. »Glauben Sie das etwa?«
Ich sagte, daß ich mit meinem Urteil so lange warten wollte, bis ich Precious’ Freunde abgecheckt hatte.
»Da kann ich Ihnen nicht helfen«, sagte sie und stand auf. »Entschuldigen Sie, aber ich muß jetzt gehen; ich habe einen Konferenztermin.«
»Rufen Sie mich an, wenn Ihnen irgendwas einfällt«, sagte ich ohne viel Hoffnung.
»Nur eins«, sagte sie. »Wenn es Kidnapping ist, dann wird das eine harte Zeit für die Entführer. Sie werden sich bald melden und Grace anflehen, daß sie sie wieder zurücknimmt.«
Meine Karte verschwand in ihrer Handtasche, und sie verschwand in einer Wolke teuren Parfüms. Für einen Augenblick wünschte ich mir fast, Arzt zu sein; dann fielen mir ein paar ein, die ich in den Nachrichten gesehen hatte.
Die Erwähnung eines Kidnappings hatte Miss Brooks offenbar erschreckt, denn sie rief am nächsten Tag an und riet mir, mit Eva Nagy zu reden, Precious’ bester Freundin in St. Clothilde’s. Ich bat sie, das für mich zu arrangieren.
Ich traf mich mit dem Mädchen im »Cosmopolitan« in Double Bay, mitten im schrillen Geplapper aufgedonnerter Frauen, zu stark gebräunten Aufsteigern und Männern mit Goldkettchen und ohne ersichtliche Einkunftsquelle. Eva Nagy war fünfzehn und wirkte wie achtundzwanzig, war olivbraun, goldkettchenbehangen, lasziv, erotisch. Mandelförmige braune Augen und ungarische Wangenknochen machten die Falle komplett. Ich bedauerte die Schule.
Sie bestellte Irish Coffee und beobachtete genau meine Reaktion. Ich zeigte keine. Dann machte sie mir über den Rand ihres Glases jede Menge schöne Augen. Ich war nicht auf ein Gerichtsverfahren aus und reagierte nicht darauf, aber es ließ mich erahnen, wie gefährlich Eva und Precious sein mußten, wenn sie gemeinsam auf ihre Raubzüge gingen.
Ich sagte dem Mädchen, daß Grace mich angeheuert habe, um Precious zu finden, und fragte sie, wo ihre Freundin vielleicht hingegangen sein könnte. Und mit wem.
»Warum sollte ich Ihnen etwas sagen?« fragte sie, lächelte süß und machte Kulleraugen, in dem vergeblichen Bemühen, unschuldig zu wirken.
»Weil ihr vielleicht etwas zugestoßen ist.«
»Precious kann auf sich selbst aufpassen«, antwortete sie und steckte ihre Nase in die Schlagsahne.
Ich versuchte eine andere Taktik. »So, wie ich es sehe, hast du keine Wahl. Entweder du spuckst was aus, oder Grace wird deinem Paps einen Besuch abstatten und ihn über deine außerschulischen Aktivitäten informieren.«
Peter Nagy war eine Stütze der Jüdischen Gemeinde — B’Nai B’rith, Sponsor der Australischen Oper, Freund der Art Gallery of New South Wales und Golfpartner von Politikern. Wer weiß, vielleicht wurde er sogar zum Vater des Jahres nominiert; es hatte schon merkwürdigere Wahlen gegeben.
Das Mädchen weitete leicht die Augen und kniff sie wieder zusammen. Angst ist definitiv
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