Fish im Trüben
Ich mußte wieder hin, wenn es dunkel wurde.
Sicher aufgehoben in meinem Valiant, machte ich das Radio an, um zu hören, ob es am Vorabend eine Schießerei gegeben hatte. Nichts.
Neben den üblichen Fensterbriefumschlägen und ein paar neuen Staubflocken erwartete mich in meinem Büro eine telefonische Nachricht von Lizzie, die mich in die Oper einlud; sie hatte Freikarten. Dafür würde sie mich bezahlen müssen.
Die nächsten Kurznachrichten informierten mich darüber, daß auf einem unbewohnten Grundstück in Surry Hills ein sechsundzwanzig Jahre alter Mann erschossen aufgefunden worden war. Sie wollten seinen Namen nicht bekanntgeben, bevor die Verwandten benachrichtigt worden waren.
Ich rief Lizzie an. Nachdem ich ihr gesagt hatte, daß sie mich löhnen müsse, damit ich mit ihr in die Oper ginge, und sie mich wie üblich beschimpft hatte, fragte ich sie, ob sie irgendwas über das Surry-Hills-Opfer wußte.
»Ja, es ist gerade reingekommen. Männlicher Kaukasier, sechsundzwanzig, Joseph Fayyad alias Joey Fay, Geschäftsführer in St. Mary’s. Mit anderen Worten ein libanesischer Krimineller, wahrscheinlich ein Drogenhändler. Er ist vorbestraft — bewaffneter Raubüberfall. Die Fernseh-fritzen werden es wahrscheinlich als Unterweltsmord bezeichnen.«
»Hilft jemand der Polizei bei den Untersuchungen?«
»Nicht daß ich wüßte. Warum interessiert dich das überhaupt?«
»Könnte bloß sein, daß ich einen Zeugen bei mir beherberge«, sagte ich und erzählte ihr, was Les gesehen hatte.
»O Gott! Weiß sonst jemand davon?«
»Ich glaube, so ein Pennerfreund von Les namens Garnet war entweder auch da, oder Les hat ihm später davon erzählt. Jemand hat versucht, den armen, alten Bastard in Brand zu setzen. Les ist sicher, daß sie hinter ihm her sind.«
»Und du glaubst nicht, daß es nur der übliche Psychopath ist, der Tippelbrüder abfackelt?«
»Ich weiß nicht. Aber bisher ist es mir nicht gelungen, diesen berühmten Garnet auszumachen. Er könnte sich versteckt haben, aber er könnte auch dumm oder besoffen oder verzweifelt genug sein, um heute nacht in das Haus zurückzukommen. Ich werde nachsehen, und dann schmeiß ich es hin. Überhaupt, es ist schon hart genug, Les ohne seinen Kumpel in meiner Wohnung zu verstecken.«
»Paß auf, was du tust. Wenn die Bullen da mit drinhängen, werden sie alles nach Garnet und Les durchkämmen. Und die haben andere Mittel als du.«
Bevor ich auflegte, fragte Lizzie: »Garnet, was ist das für ein Name?«
»Queensland«, sagte ich rätselhaft.
Ich rief in meiner Wohnung an, und es ging niemand ran, aber vielleicht war Les ja zu verängstigt, um abzuheben. Oder außer Hörweite. Ich entschloß mich, nach ihm zu sehen.
Irgendwas kam mir merkwürdig vor, sobald ich aus dem Aufzug trat. Dann merkte ich, was es war: Es zog in dem gewöhnlich windstillen Flur. Meine Nackenhaare stellten sich himmelwärts, ich schlich den Flur entlang und blieb wie angewurzelt stehen. Meine Wohnungstür stand auf.
Ich betrachte mich nicht als Feigling, aber ich war nicht übertrieben begeistert von der Aussicht, einen Drogensüchtigen aus der Darlinghurst-Szene mit einem Messer zu überraschen. Oder einen kriminellen Bullen auf der Suche nach einem Zeugen.
Ich sagte mir, daß Les nur nachlässig gewesen war; außerdem konnte ich hier nicht ewig wie ein Gartenzwerg stehenbleiben. Ich trat die Tür weit auf, duckte mich tief und spähte hinein. Ein Sessel und der Couchtisch waren umgekippt, als ob jemand dagegengefallen wäre oder sie aus dem Weg getreten hätte, aber das tragbare Fernsehgerät war noch da. Das hieß, daß es keine Junkies waren. Abgesehen von ein paar leeren Flaschen gab es kein Lebenszeichen von Les.
Das schrille Klingeln des Telefons schoß mir in der Stille wie eine Kugel ins Genick, daß ich nur so zusammenfuhr. Als ich abhob, war keiner dran.
Obwohl mir langsam mulmig bei der Sache wurde, war ich noch nicht so weit, in Panik zu geraten. Les konnte ohne weiteres rausgegangen sein, um sich mehr Alk zu besorgen; er konnte überall sein. Er konnte sogar wieder bei seinen Kumpels im Park sein.
Es war vier Uhr, und die Furcht hatte meinen Appetit verschärft, also schnappte ich mir die Nachmittagszeitung, ging ein paar Blocks weiter zu »Unas Café« in der Victoria Street und kaute mich durch einen riesigen Teller Wiener Schnitzel mit aufgewärmten Bratkartoffeln. »Unas« war nur halb voll; die Kunststudenten, die in möblierten Zimmern hausenden
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