Fish im Trüben
Ex-Knackis und die Schriftsteller und Filmemacher, die gerne eng bei ihren Figuren lebten, würden erst gegen sechs zum Abendessen reinkommen.
Die Zeitung sagte mir nicht mehr als Lizzie. Draußen türmte sich die Hitze auf, schwarze Wolken waren aufgezogen, und in der Luft lag der Schwefelgeruch, der Regen ankündigt. Trotz der ganzen Aversionstherapie, der ich mich in diesem Fall unterzogen hatte, sehnte ich mich nach einem Bier.
Von ein paar kalten Ales in Woolloomooloo angespornt, stürzte ich mich in das Getümmel und ging auf dem kürzesten Weg durch Potts Point und Cross. Jetzt, wo ich nach Les Ausschau hielt, bemerkte ich erst, wie viele Pennergruppen in der Gegend herumhingen.
Die Besetzer des verlassenen Grundstücks hinter der Eisenbahnstation in Victoria Street waren alle schwarz; er war auch nicht unter den Krachschlägern, die Gitarre spielten, falsch sangen und den U-Bahn-Eingang in der Darlinghurst Road versperrten, in Fitzroy Gardens waren nur obdachlose Kids, Schwule auf der Jagd nach kleinen Jungs und Touristen; und der kleine Park unter der Eisenbahnunterführung in der Forbes Street war verlassen.
Die Kneipen füllten sich langsam mit Arbeitern der Marinewerft und Bewohnern der Wohlfahrtsunterkünfte, die aus engen Reihenhäusern und Wohnungen flohen. Im »Woolloomooloo Bay« war der Rock ‘n’ Roll zu laut, also ging ich ins »The Bells«. Den Farbtöpfen der Schickis Widerstand leistend, blieb es hartnäckig der Arbeiterklasse erhalten. Die meisten der niedergeschlagenen Gäste hingen vor der Glotze, und ich konnte mir ungestört Sorgen machen.
Wenn Les im Cross auf Sauftour gegangen war, dann mußte es ihn meines Erachtens zum nahe gelegenen Obdachlosenheim gezogen haben, damit er dort seinen Rausch ausschlafen konnte, also ging ich rein und fragte nach ihm.
Ein blasser, schwarzgekleideter Jugendlicher in den obligatorischen Doc-Martens-Schuhen wachte an der Rezeption. Als ich ihn nach Les und Garnet fragte, riß er sich gerade lange genug von seinem Magazin los, um mir mit gelangweilter Stimme zu sagen, daß er keine persönlichen Details seiner Klienten weitergeben dürfe.
Vielleicht war es die Hitze — ich verlor die Geduld. Ich krallte ihn am T-Shirt, riß ihn hoch und sagte: »Es muß schwer sein, mit einem Gesicht voller Pickel cool auszusehen. Komm, ich mach dir n paar davon weg.«
»Er ist nicht hier«, kläffte er. Er war plötzlich beträchtlich munterer — Angst ist ein zuverlässiges Mittel gegen Langeweile.
Ich ließ ihn auf seinen Stuhl zurückfallen und ging. Er rief mir ein paar böse Worte hinterher, aber ich tat so, als hätte ich sie nicht gehört. Es war Zeit für eine Tour durch das Sydney, das die Japaner niemals zu Gesicht bekommen.
Die Obdachlosengegend nimmt den Teil von Surry Hills ein, den die Friseure, Rechtsanwälte und Medientypen noch nicht besetzt haben. Ein Teil des alten Surry Hills konzentriert sich in Nähe des Hauptbahnhofs in der Campbell Street. Überbleibsel der chinesischen Gemeinde klammern sich an dieser Gegend fest, aber sie wird beherrscht durch das neue Polizeipräsidium, die Sydney City Mission’s Swanton Lodge, das Männerwohnheim der Heilsarmee und einige private Billigunterkünfte.
Die Penner waren zu den Bullen gezogen, als die das Grundstück ihres neuen Justizpalastes bepflanzt hatten. Der kleine Park bietet die Nähe zu kostenlosem Essen und Schutz vor der Kälte, und die Polizeipräsenz bewahrt sie vor vollgedröhnten Straßenräubern und Pennerklatschern. Ich hatte ein kleines Erfolgserlebnis bei einer Gruppe von Saufbrüdern, die sich für heute hier niedergelassen hatten: Sie kannten Les und Garnet, sagten aber, daß sie seit gestern keinen von beiden gesehen hätten.
Die baumbesäumte Campbell Street war verlassen und voller Abfall. Ein heißer Wind jagte Dosen, Chipsbeutel und Papierbecher an mir vorbei, als ich an einer indonesischsprachigen anglikanischen Kirche, der Australian Chinese Community Association, einigen schmuddeligen Pleiteläden, Reisebüros und ein paar Bilderrahmern vorbei zur Foster Street runterging, wo ungefähr dreißig Männer vor dem Männerwohnheim der Heilsarmee rumhingen.
Heim war ein freundliches Wort für das, was sich als düsteres rotes Backsteinhaus am Ende einer abfallübersäten Gasse entpuppte. Ein alter Typ in einem zerschlissenen, schmutzigen Tweedanzug, Schiebermütze und zweifarbigen Plateauschuhen erzählte mir, daß er in der Nacht in dem Haus gewesen sei, als der Brandstifter
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