Fish im Trüben
meine Nichte«, sagte ich. »Und ich habe Grund zu der Vermutung, daß sie sich über Ihre Agentur eine Anstellung gesucht hat, Miss Trigg.«
»Sie verstehen, daß wir keinerlei vertrauliche Informationen über unsere Klienten herausgeben, auf gar keinen Fall herausgeben können, Mr. Fish?«
»Natürlich«, sagte ich, vor Glaubwürdigkeit triefend. »Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, Miss Trigg. Es ist eine heikle Familienangelegenheit. Sehen Sie, mein Schwager und meine Nichte hatten einen Streit, und das Mädchen ging davon, ohne ihm zu sagen, wohin. Jetzt hatte er einen Herzinfarkt und möchte seine Tochter sehen. Er hat mich gebeten, sie zu suchen.«
Ich legte zugunsten der dramatischen Wirkung eine Pause ein. »Das könnte die letzte Chance des Mädchens sein, ihren Vater zu sehen, Miss Trigg.«
Besorgnis huschte über ihr Gesicht. Sie wollte nichts mit einer so häßlichen Angelegenheit wie Tod zu tun haben; das wäre schlecht fürs Geschäft. »Und wie heißt Ihre Nichte, Mr. Fish?«
»Miranda Marshall«, sagte ich und zielte ziemlich ins Blaue. Wenn Claire Granger unter ihrem eigenen Namen unterwegs war, dann hatte ich mir gerade sämtliche Chancen vermasselt, Informationen aus Miss Trigg herauszukriegen.
Miss Trigg sah mich lange Zeit an, offensichtlich konnte sie nicht glauben, daß ein Rüpel wie ich eine so wohlerzogene, gepflegt sprechende Nichte wie Miranda Marshall haben konnte.
»Ihre Nichte schien unter einer gewissen Belastung zu stehen«, kapitulierte sie schließlich und ging zu einem Aktenschrank, zog eine Mappe heraus und gab mir die Details über Claires Arbeitgeber.
Die Farm, Gowrie Downs, lag im Südwesten von Queensland, an der Grenze zum Northern Territory. Miss Trigg sagte mir, ich solle bis zum nächstgelegenen Flughafen fliegen und dann ein kleines Flugzeug chartern; Gowrie Downs besaß einen eigenen Landeplatz. Ich lächelte höflich, bis ich den Flur erreicht hatte, wo ich laut schimpfte. Warum konnte Claire Granger nicht nach Melbourne oder zur Gold Coast oder meinetwegen nach Darwin abhauen?
Zurück im Büro, rief ich Granger an und sagte ihm, wo Claire war. Er bat mich, sie zu holen. Dann rief ich die McDonells in Gowrie Downs an und erklärte der Dame des Hauses die Situation. Ich sagte, ich wolle vorbeikommen, meiner Nichte persönlich die Nachricht überbringen und sie dann mitnehmen. Mrs. McDonell war nicht erfreut darüber, eine gute Dienstkraft zu verlieren, konnte aber meinen humanitären Beweggründen nichts entgegensetzen.
Claire Granger war clever genug und hinreichend schuldbewußt, um ihr Erstaunen zu verbergen, als am nächsten Tag ihr Onkel auftauchte, um sie abzuholen. Mrs. McDonell hungerte wie alle Landbewohner nach Unterhaltung und hätte liebend gerne das Gespräch miterlebt, aber ihre guten Manieren setzten sich durch, und so wurden wir diskret in dem schummrigen Salon mit den mürrischen schottischen Vorfahren und den schweren Zedernholzmöbeln allein gelassen.
Ich hatte irgendeine emotionale Szene erwartet, aber das Mädchen war sehr beherrscht. Vielleicht hatte sie, tausend Meilen von ihren Problemen entfernt, Zeit zum Nachdenken gehabt. Vielleicht war alles besser, als am Arsch der Welt auf einen Haufen Farmerskinder aufzupassen.
»Sind Sie bereit, mit nach Hause zu kommen?« fragte ich.
»Es ist irgendwie sinnlos, hierzubleiben, wo jetzt jeder weiß, wo ich bin.«
»Jeder?«
»Sie wissen, wen ich meine. Mein Vater. Miranda. Außerdem kann ich hier auch kaum bleiben, oder? Es würde sehr merkwürdig aussehen, wenn ich mich weigerte, nach Hause zu kommen, um meinen sterbenden Vater zu sehen.«
Ich lachte, und Claire warf mir einen warnenden Blick zu und zeigte auf die Tür. Mrs. McDonell war offensichtlich der Typ Arbeitgeber, der sich gern über die Angelegenheiten seiner Angestellten auf dem laufenden hält.
Wie auf Abruf machte sich Mrs. McDonell durch ein diskretes Klopfen bemerkbar und kam mit Tee und Gebäck herein, um zu sehen, wie die arme, kleine Miranda die schlechten Nachrichten aufnahm. Claire hielt sich schnell ein Taschentuch vor die Augen. Ein Monat auf dem Land hatte ihr unwahrscheinlich gutgetan. Sie hatte den Sterbende-Heldin-Blick verloren, Farbe bekommen und offensichtlich gelernt, sich vor dem McDonell-Clan zu schützen. Aber hatte sie gelernt, sich vor ihrem Vater und Miranda zu schützen?
Das Mädchen wurde fröhlicher, als wir aus dem Luftraum von Gowrie Downs hinaus und den neugierigen, besorgten Augen von Mrs.
Weitere Kostenlose Bücher