Fish vor die Hunde
glühendheißen Dusche zu regenerieren — ein verantwortungsloser Bürger, der eine gigantische Wasserrechnung auflaufen läßt. Früher mußte ich nicht so leiden, wenn ich mich amüsiert hatte — offenbar wurde ich alt. Oder die vielen Gifte, die ich im Laufe der Jahre meiner Leber zugemutet hatte, machten sich langsam bemerkbar.
Ich nahm mir fest vor, eine Woche auf einer Gesundheitsfarm zu verbringen, wenn das Ganze vorüber war, wußte aber genau, daß ich es sofort vergessen würde, wenn ich anfing, mich wieder wie ein Mensch zu fühlen. Das kommt davon, wenn man eine katholische Erziehung genossen hat: Man sagt, es tut einem leid, macht dasselbe wieder und denkt, das ist in Ordnung so. Es war so ungewiß wie beim Roulette: ob man gerade auf dem schwarzen Feld oder auf dem roten bei Gott landete, wenn man starb.
Als ich so weit wiederhergestellt war, daß ich halbwegs klar sehen konnte, schnappte ich mir die Zeitungen und ging ins San Marco, wo ich im Garten zwei Stunden lang Zeit verplemperte. Der Mord an Paula war auf Seite 5 gerutscht, und ich erfuhr, daß ihr langjähriger Lebensgefährte der Polizei bei ihren Ermittlungen behilflich sei.
Während ich herumsaß, kam eine Gruppe von Junkies herein, die mir schon seit Monaten aufgefallen waren. Es waren typische stinklangweilige Dröhnköpfe, die ständig mit irgendeinem Deal angaben und darüber lamentierten, daß das System sie im Stich gelassen hätte. Eine der Frauen hatte vor ein paar Monaten ein Baby bekommen und war anscheinend dem Kind zuliebe eine Zeitlang clean gewesen. Jetzt hatte sie sich ganz unverkennbar wieder zugeknallt. Sie rauchte ununterbrochen, nickte des öfteren ein, und ihr Haar mit der am Ansatz herausgewachsenen Blondierung starrte vor Dreck.
Heute kümmerte der Vater sich um das Baby. Offenbar übernahmen sie abwechselnd die Verantwortung, aber ich fragte mich, wie lang es wohl dauern würde, bis sie sich zusammen volldröhnten, und das Baby allein in seinem schmuddeligen Bettchen vor sich hin plärrte. Jedenfalls hatte das Kind, wenn nicht ein Wunder geschah, keine Chance.
Ein Mordsradau riß mich aus meinen Gedanken. Als ich aufblickte, sah ich eine Gruppe kerngesunder junger Yuppies in Shorts, T-Shirt und Segeltuchschuhen hereinstürmen. Durch die offenstehende Schiebetür am hinteren Ende des Hofes konnte man die Gasse hinter dem San Marco und eine mit Graffiti bedeckte Mauer sehen. Ich kannte die Graffiti auswendig.
Für die Yuppies waren sie neu, und sie mußten sie natürlich lautstark vorlesen.
»Junkies raus aus unserem Viertel«, las einer. »Ihr werdet beobachtet und fotografiert. «
Seine Freunde sahen sich suchend nach dem Phantom-Fotografen um, dann lachten sie verlegen. Er las weiter: »Geht doch heim zu Mami, ihr Pfeifen.«
»Volle Paranoia, was?«
Darüber mußten sie wieder lachen, aber die nächste Replik ernüchterte sie ein bißchen.
»Junkies sterben wenigstens jung.«
Sie sahen einander betreten an, schielten dann hinüber zu der Gruppe der Junkies, die so taten, als hätten sie nichts gehört. In diesem Moment kam eine Kellnerin mit vollbeladenem Tablett an den Tisch, die peinliche Spannung löste sich, und sie fingen unvermittelt an, über die Häuserpreise in dieser Gegend zu debattieren.
Erst gegen Mittag hatte ich mich wieder so weit erholt, daß ich dem Leben die Stirn bieten konnte. Als ich in meine Wohnung zurückkam, war auf meinem Anrufbeantworter eine Nachricht: Lorraine Lamont anrufen. Dringend.
8
Da Andrew K mit meinem Valiant noch immer unentschuldigt fehlte, mußte ich zu Lorraine Lamonts Haus in Bellevue Hill ein Taxi nehmen. Der Chauffeur zeigte alle paar Meter auf einen Passanten und behauptete, der hätte Aids. Als ich irgendwann genug davon hatte und sagte, er solle damit aufhören, drehte er sich um und beschimpfte statt dessen mich. Der Verkehrsminister hatte kürzlich im Fernsehen mit einem neuen Programm geprahlt, mit dem untragbare Taxifahrer ausgesiebt werden sollten. Diesen hier würden sie mit einem Netz einfangen müssen.
Immer noch irritiert und aufgebracht, ging ich die geschwungene Auffahrt zu Lorraine Lamonts Haus hinauf. Es war eines dieser typischen Viertel. Bellevue Hill liegt nahe am Zentrum und gehört zu den teuren Wohngebieten im Osten von Sydney. Ein Teil des Bezirks liegt im Tal und ist zugebaut mit Mietshäusern; dieses Villenviertel liegt am Hang, und man hat von Multi-Millionen-Dollar-Häusern einen Millionen-Dollar-Blick auf den Hafen.
Die
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