Fish vor die Hunde
verabschiedete sich Luther.
Ich packte mir einen Eisbeutel auf den Kopf und legte mich hin, aber das half auch nicht viel. Als die Zeitung auf die Fußmatte an der Wohnungstür klatschte, stand ich auf und machte mir eine Tasse Tee, dann saß ich herum, blätterte in der Zeitung und führte mir die Probleme anderer Leute zu Gemüte. Darlinghurst bekam in einer Notiz mit der Überschrift Transvestit: Überfall mit Aidsinfizierter Spritze eine Statistenrolle. Die betroffene Apotheke war nur ein paar Blocks entfernt und wurde anscheinend einmal im Monat ausgeraubt. Vielleicht hatte Lorraine Lamont recht, wenn sie das ganze Viertel abreißen wollte.
Um halb elf holte mich Luther in einem todschicken metallicblauen Pontiac TransAm ab, und wir fuhren in die Surrey Street. Ich stellte das Radio an und spielte an der Skala herum. Jeder Versuch, mit Luther ein Gespräch anzufangen, erübrigte sich: Er war unerbittlich stumm wie ein Fisch. Seine Selbstbeherrschung verblüffte mich. Hatte er ein besonders komplexes, phantasievolles Innenleben, oder schaltete er einfach das Gehirn ab?
Angewidert vom Blabla einer Talk-Sendung stellte ich ABC ein. Der Moderator, ein Wiedergeborener Christ, diskutierte mit einer Millionärsgattin, die für ihre Verschwendungssucht und ihren schlechten Geschmack bekannt war, über Spiritualität. Ihre Vorstellung von Spiritualität erschöpfte sich darin, ein schwarzes Designerkleid zu kaufen und sich darin zusammen mit dem Papst fotografieren zu lassen. Um ein Autogramm, natürlich auf das Kleid, würde sie ihn vermutlich auch noch bitten.
Ich drehte das Radio ab und fragte Luther, der keine Kommentare abgegeben, wahrscheinlich nicht mal zugehört hatte: »Glaubst du an Gott?«
»Wen?« fragte er.
»Ich auch nicht«, sagte ich, und wir verfielen wieder in Schweigen.
Um elf tauchte Chicka auf, wie üblich ausstaffiert wie ein Lumpensammler, und machte sich auf den Weg in Richtung Hauptstraße. Blacky hatte er nicht dabei. Ich machte Luther darauf aufmerksam.
»Blacky?«
»Der Hund.«
»Und?« Luther bunkerte Wörter, wie manche Leute Bindfäden aufheben.
»Und dieser bösartige Köter hat mich schon einmal attackiert. Was unternehmen wir dagegen?«
»Überlaß das mir, mein Sohn«, sagte er, und wir gingen auf Chickas Eingangstür zu. Für Diebe sind Reihenhäuser eine echte Herausforderung: Man kommt nur über den Garten hinter einem Nachbarhaus oder durch den Vordereingang hinein.
In der Surrey Street waren offenbar alle auf Arbeit oder klebten am Radio und verfolgten die Rennen. Mit Ausnahme des Hundes, der wütend hinter der Tür kläffte, während Luther das Schloß knackte. Es war ein einfaches Schloß; entweder verließ sich Chicka ganz auf Blacky, oder er besaß nichts, was sich zu stehlen lohnte.
Luther schob mich beiseite und hatte plötzlich die Tür aufgedrückt. Mit ekstatischem Bellen stürzte sich der Hund auf ihn. Luther wartete, bis er seine Pal-Fahne riechen konnte, trat zur Seite und versetzte dem Hund, der an ihm vorbeisegelte, mit seiner riesigen Faust einen Schlag auf die Schläfe. Das Tier landete wie ein gestrandeter Fisch auf den Dielen, zuckte noch einmal und rührte sich nicht mehr.
»Ist er tot?« fragte ich.
»Nö, der schläft nur«, sagte Luther in seinem breiten Dialekt, die Augen so ausdruckslos wie zwei Rosinen in einem Brötchen. Er stieg über den hingestreckten Hund und ermahnte mich: »Man muß hart durchgreifen, Syd, sonst respektieren sie einen nicht.« Dann lächelte er beinahe.
Chickas Haus war ein Albtraum. Der Gestank schlug uns entgegen wie eine Keule: Hund, verdorbene Nahrungsmittel, alter Mann, schmutzige Wäsche, Pfeifentabak und wieder Hund.
»Mir kommt’s hoch«, piepste ich, taumelte quer durchs Haus zur Hintertür, stieß sie auf und kotzte in den Garten.
»Hättest auch hier drin reihern können, Junge. Wär eh keinem aufgefallen«, bemerkte Luther, als ich zurückkam. »Und der Hund hätte sowieso...«
Ich hob rasch die Hände: »Sag es nicht!«
Was den Dreckstall betraf, hatte er recht. Das Wohnzimmer war mit Bergen von Klamotten, Stapeln alter Zeitungen, abgenagten Knochen und speckigen, wackeligen Möbeln vollgestopft. In der Küche standen ein Kühlschrank und ein Herd Marke Dritte Welt, wie man sie nur noch in Sozialaltbauten und Technikmuseen findet. Ein schwarzer Schmierfilm bedeckte sämtliche Oberflächen, und der Fußboden war klebrig. Aus grünen Müllbeuteln quollen Abfälle.
Der eine Raum war so vollgestellt
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