Fisherman's Friend in meiner Koje - Gier, K: Fisherman's Friend in meiner Koje
Gerade ist es ganz schlecht, hat sie gesagt, kannst du nicht in einer Stunde noch mal anrufen? Ich möchte wissen, wofür die eine ganze Stunde brauchen.
Habe dann bei Tina angerufen, aber da war nur der Anrufbeantworter. Sabine wollte ich nicht anrufen, weil die so ekelhaft dünn ist, dass sie mich vielleicht tatsächlich für zu dick hält. Blieb nur noch meine Mutter, die sagt mir sowieso immer, ich esse zu wenig. Aber die war auch nicht zu Hause. O Gott, vielleicht hat B. recht, und ich bin wirklich zu fett! Muss nach der Zeitschrift suchen, in der stand, wie man das Idealgewicht ausrechnet.
Habe die Zeitschrift nicht gefunden, aber den Zettel mit Micks Telefonnummer. Könnte ihn anrufen und fragen, ob er mich zu dick fand.
Natürlich würde er nein sagen, weil ich bin nicht dick. Und vielleicht würde er ja bei B. anrufen und ihm seine Meinung sagen, wenn ich ihn darum bitte. Nein, besser noch, er käme persönlich vorbei, damit B. sehen kann, wie gut er aussieht.
Werde jetzt anrufen. Mal sehen, vielleicht kann man sich ja mal auf ein Bier treffen. Judith wäre zwar stinksauer, aber darauf kann ich wirklich keine Rücksicht nehmen. Außerdem feiert sie schließlich gerade Versöhnung, während B. zurück in seine Wohnung gegangen ist, ohne irgendetwas zu tun. Obwohl heute unser Jahrestag ist.
Das letzte Mal, dass wir Sex zusammen hatten, ist schon mindestens einen Monat her. Und da hat es auch irgendwie nicht richtig geklappt. B. sagt, das liegt daran, dass er mich nicht mehr attraktiv findet. Was soll ich nur machen?
Ich hatte mir für heute extra neue Unterwäsche gekauft, keine schwarze, so was findet B. ordinär, sondern ganz süße mit kleinen, blauen Fischchen drauf.
Weil du mich doch immer deine kleine Seejungfrau nennst, habe ich zu B. gesagt.
Und da hat er gesagt: Jetzt werd’ nicht gleich wieder sauer, aber im Augenblick siehst du wirklich mehr wie eine kleine Seekuh aus.
Musste natürlich weinen, das hätte jeder an meiner Stelle getan. Aber B. sagte nur, ich hätte nicht die kleinste Spur von Humor. Aber das wäre bei Übergewichtigen oft der Fall. Und dann ist er gegangen.
Ich glaube, ich springe jetzt aus dem Fenster.
Habe gerade noch mal bei Judith angerufen und ihr gesagt, dass ich jetzt aus dem Fenster springe. Sie hat gesagt, ich solle damit noch eine halbe Stunde warten, dann hätte sie Zeit für mich. Wollte ihr noch sagen, dass ich dann leider tot sei, aber da hatte sie schon aufgelegt. Eine feine Freundin, kann ich nur sagen.
Habe bei B. angerufen, um ihm zu sagen, dass ich aus dem Fenster springe. Aber bei B. war besetzt. Wahrscheinlich telefoniert er mit dieser Melanie.
Nein, ich werde nicht aus dem Fenster springen. Werde besser diesen Mick jetzt anrufen.
Vielleicht klappt das mit dem Bier sogar noch heute Abend. Judith wird zwar platzen vor Wut, wenn sie das hört, aber sie hätte sich ja um mich kümmern können.
Habe bei Mick angerufen. Es hat sich eine Frauenstimme gemeldet. Habe wieder aufgelegt. Springe jetzt aus dem Fenster.
4
Der erste Abend meiner wiederbelebten Beziehungskiste war schlichtweg perfekt. Leonard sah mehr als gut aus, zumal er das Kordhemd trug, das ich ihm zu Weihnachten geschenkt hatte, und er roch überwältigend nach Quazar . Obwohl ich, einer Laune des Unterbewusstseins folgend, das verblasste Paprika mit einem kräftigen »Indian Summer« übertönt hatte und damit rothaariger war denn je, machte er mir nette und dennoch glaubwürdige Komplimente wegen meines Aussehens.
Wir aßen gebratenes Lachssteak an Wildreis und Brokkoli, eine meiner Spezialitäten, und anschließend tranken wir Champagner im Schlafzimmer. Es war einfach himmlisch. Ich musste mich selber zu diesem Mann beglückwünschen.
Am zweiten Abend aßen wir kleine Cocktailwürstchen mit Tomatensalat und tranken Rotwein im Schlafzimmer. Es war immer noch sehr nett.
Am dritten Abend, meinem Geburtstag, ließen wir uns Pizza kommen und tranken noch einmal Rotwein im Schlafzimmer. Leonard schenkte mir unter anderem ein Kondom, das im Dunkeln leuchtete. Er löschte das Licht und trug sein Geschenk durch den Raum spazieren, wobei er Happy Birthday summte, bis er mit dem Zeh gegen meine Kommode stieß. Es war ein erhebender Augenblick, und mein Geburtstag insgesamt annehmbar.
Am vierten Abend war mein Kühlschrank rappelleer, und wir aßen trockene Salami. Soweit in Ordnung, bis Leonard aus heiterem Himmel seine alte Leidenschaft überkam.
»In der allergrößten Not schmeckt die
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