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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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bevor er antwortete, wurde mir klar, dass ich Unsinn geredet hatte.
    »Sohn?« Chade lachte grimmig. »Er würde finster dreinschauen, wenn er das gehört hätte. Aber die Wahrheit behagt ihm noch weniger. Er ist mein jüngerer Halbbruder, Junge, nur wurde er im ehelichen Bett empfangen und ich während eines militärischen Feldzugs in der Nähe von Sandsedge.« Etwas leiser fügte er hinzu: »Meine Mutter gehörte zur Truppe, als es geschah, aber sie kehrte bald nach Hause zurück, um mich zur Welt zu bringen, und heiratete später einen Töpfer. Als sie starb, setzte ihr Mann mich auf einen Esel, gab mir eine Halskette, die sie immer getragen hatte, und befahl mir, sie dem König in Bocksburg zu überbringen. Ich war zehn. Es war ein langer, schwerer Weg von Rocken nach Bocksburg in jenen Tagen.«
    Darauf wusste ich nichts zu sagen.
    »Genug davon.« Chade richtete sich auf. »Galen wird dich in der Gabe ausbilden. Listenreich hat es ihm befohlen. Er musste sich schließlich fügen, aber tat es nur unter Vorbehalt. Niemand wird sich in seinen Unterricht einmischen oder einen seiner Schüler beeinflussen dürfen. Ich wünschte, es wäre anders, aber ich kann nichts dagegen tun. Du musst eben auf der Hut sein. Du weißt über Galen Bescheid?«
    »Nur was man so redet.«
    »Und davon abgesehen?« Chade stellte mich auf die Probe.
    Ich holte tief Luft und überlegte. »Er nimmt seine Mahlzeiten allein ein. Ich habe ihn nie bei Tisch gesehen, weder bei den Soldaten noch im Speisesaal. Ich habe nie erlebt, dass er einfach bei Leuten steht und mit ihnen plaudert, weder auf dem Übungsplatz noch im Wäschehof oder in einem der Gärten. Er
ist immer in Eile, wenn man ihn trifft, und immer irgendwohin unterwegs. Er kann nicht mit Tieren umgehen. Die Hunde mögen ihn nicht, und bei den Pferden hat er eine so harte Hand, dass er ihnen das Maul schindet und ihnen den Charakter verdirbt. Ich schätze, er ist ungefähr in Burrichs Alter. Er kleidet sich gut, fast so extravagant wie Edel. Ich habe gehört, wie man ihn einen Vasall der Königin nannte.«
    »Weshalb?«, fragte Chade rasch.
    »Hm, das ist schon lange her. Ach ja, Gage - er ist ein Soldat. Eines Nachts kam er ziemlich angetrunken zu Burrich und blutete. Er war mit Galen in Streit geraten, und Galen hatte ihn mit einer Reitgerte oder etwas Ähnlichem mitten ins Gesicht geschlagen. Gage bat Burrich, ihn wieder auf die Beine zu bringen, weil es schon spät sei und er an diesem Abend eigentlich keinen Ausgang gehabt hätte. Ich glaube, er war als Wachhabender eingeteilt. Gage erzählte Burrich, er hätte Galen sagen gehört, Edel wäre doppelt so blaublütig wie Chivalric oder Veritas, und es wäre ein dummes Gesetz, das ihn von der Thronfolge ausschloss. Als Argument brachte er vor, Edels Mutter wäre von vornehmerer Herkunft als Listenreichs erste Gemahlin, obwohl das ohnehin ein offenes Geheimnis war. Aber der Tropfen, der für Gage das Fass zum Überlaufen brachte, muss Galens Behauptung gewesen sein, Königin Desideria wäre adliger als Listenreich selbst, denn sie hätte Weitseherblut von beiden Elternteilen her, Listenreich dagegen nur von seines Vaters Seite. Also wollte Gage mit den Fäusten auf ihn losgehen, aber Galen trat einen Schritt zur Seite und zog ihm die Gerte quer durchs Gesicht.«
    Ich machte eine Pause.
    »Und?«, ermunterte mich Chade.

    »Es ist ziemlich klar, dass er Edel höher schätzt als Veritas oder sogar den König. Und Edel, nun, der akzeptiert ihn. Er ist zu ihm gewöhnlich freundlicher als zu seinen sonstigen Untergebenen. Die wenigen Male, die ich sie zusammen gesehen habe, schienen sie sich jeweils zu beratschlagen. Es ist fast schon komisch, sie zusammen zu beobachten, denn man hat den Eindruck, dass Galen den Prinzen nicht nur in der Art der Kleidung nachahmt, sondern sogar in seinem Gang. Manchmal sehen sie fast aus wie Doppelgänger.«
    »Tatsächlich?« Chade beugte sich interessiert vor. »Was ist dir sonst noch aufgefallen?«
    Ich dachte nach. »Nichts weiter, glaube ich.«
    »Hat er je mit dir gesprochen?«
    »Nein.«
    »Aha.« Chade nickte vor sich hin. »Und was hast du von anderen über ihn gehört? Was für ein Bild hast du von ihm?« Er versuchte, mich zu einer bestimmten Erkenntnis zu führen, aber ich begriff nicht, worauf er hinauswollte.
    »Er stammt aus Farrow. Er ist ein Inländer. Seine Familie kam mit König Listenreichs zweiter Gemahlin nach Bocksburg. Angeblich soll er Angst vor Wasser haben, so schwimmt er weder

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