Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher
einem abgewetzten Stiefel. Ein kleiner schwarzer Terrier mit zwei wohlgenährten Welpen schlief in einem Korb, weich gebettet auf eine Pelzkapuze und Wollsocken. Eine Gruppe geschnitzter Elfenbeinwalrosse tummelte sich auf einem Wälzer über den Hufbeschlag bei Pferden. Aber beherrscht wurde der Raum eindeutig von Pflanzen. Strotzendes Grün quoll aus großen Tonkrügen, Teetassen, Pokalen, in Eimern drängten sich Schnittblumen und Zweige, Ranken schlängelten sich aus henkellosen Krügen und Kannen. Aber auch einige Kümmerlinge ragten als dürre Stängel aus mit Erde gefüllten Tontöpfen. Die Behälter standen dicht an dicht und überall, wo sie auch nur einen Strahl der Morgen- und Abendsonne erhaschen konnten. Das Ganze wirkte wie ein Dschungel, der das Zimmer zu erobern drohte.
»Hungrig ist er wahrscheinlich auch, nicht wahr, Lacey? Man sagt das von Knaben in seinem Alter. Ich glaube, auf meinem Nachttisch stehen noch Käse und Salzgebäck. Würdest du ihm das bringen, meine Liebe?«
Prinzessin Philia sprach an mir vorbei und zu ihrer Zofe, obwohl sie kaum eine Armeslänge von mir entfernt stand.
»Ich habe keinen Hunger, wirklich nicht, vielen Dank«, wehrte ich ab, bevor Lacey sich von ihrem Stuhl erheben konnte. »Ich bin hier, weil man mir befohlen hat, mich bei Euch einzufinden, bis Ihr mich wieder entlasst.«
Das war eine abgemilderte Formulierung. Was König Listenreich
tatsächlich zu mir gesagt hatte, lautete etwas anders: »Melde dich jeden Morgen in ihren Gemächern und tu, was immer ihr in den Sinn kommt, damit sie mich in Ruhe lässt. Und tu das so lange, bis sie deiner so überdrüssig ist, wie ich ihrer überdrüssig bin.« Seine Unverblümtheit hatte mich erstaunt, aber vermutlich lag es an den Heimsuchungen der letzten Zeit. Veritas kam zur Tür herein, als ich hinausschlüpfte, und auch er wirkte sehr belastet. Beide Männer redeten und bewegten sich, als litten sie unter den Nachwehen eines Zechgelages mit zu reichlich genossenem Wein, aber als ich sie beide am Abend zuvor bei Tisch gesehen hatte, war es weder fröhlich noch weinselig zugegangen. Veritas strich mir im Vorbeigehen über den Kopf. »Von Tag zu Tag wird er seinem Vater ähnlicher«, bemerkte er zu einem mürrischen Edel, der ihm folgte. Der jüngste Prinz warf mir einen bösen Blick zu, bevor er in das Gemach des Königs trat und laut die Tür hinter sich schloss.
Also saß ich hier, und die Prinzessin tänzelte um mich herum und sprach über meinen Kopf hinweg, als wäre ich ein Tier, das sie jeden Moment in den Finger beißen oder eine Pfütze auf dem Teppich hinterlassen konnte. Lacey war über die Situation sichtlich höchst vergnügt.
»Ja. Das wusste ich schon, verstehst du, weil ich es war, die den König ersucht hat, dich in meine Obhut zu geben«, setzte Prinzessin Philia mir fürsorglich auseinander.
»Ja, Mylady.« Ich rutschte auf meinem knapp bemessenen Sitzplatz hin und her und bemühte mich, intelligent und wohlerzogen auszusehen. Wenn ich an unsere vorhergehenden Begegnungen zurückdachte, dann konnte ich ihr kaum übelnehmen, dass sie mich wie einen Tölpel behandelte.
Stille breitete sich aus. Ich betrachtete das Mobiliar im Zimmer.
Prinzessin Philia schaute aus dem Fenster. Lacey saß über ihrer Häkelarbeit und lächelte in sich hinein.
»Oh. Hier.« Rasch wie ein Falke im Sturzflug bückte sich die Prinzessin und hob den schwarzen Terrierwelpen am Nackenfell aus dem Korb. Er jaulte überrascht auf, und seine Mutter beobachtete nur unwillig, wie die Prinzessin mir den Kleinen entgegenhielt. »Ich schenke ihn dir. Ein Junge sollte ein Haustier haben.«
Ich griff nach dem zappelnden Welpen und bekam ihn zu fassen, bevor sie losließ. »Oder vielleicht möchtest du lieber einen Vogel? Ich habe einen Käfig mit Finken in meinem Schlafzimmer. Du kannst davon einen bekommen, wenn du willst.«
»Nein, nein. Ein Hund ist mir recht. Ein Hund ist wunderbar.« Zu einem Teil waren meine Worte auch an den Welpen gerichtet. Unwillkürlich hatte ich ihm auf sein helles Fiepen hin beruhigende Signale übermittelt. Seine Mutter fing die Impulse ebenfalls auf und gab sich zufrieden. Als wäre nichts geschehen, rollte sie sich neben ihrem zweiten Welpen zusammen und döste wieder ein. Der kleine Hund auf meinem Arm blickte zu mir auf und sah mir unverwandt in die Augen. Ein solches Verhalten war nach meiner Erfahrung ziemlich ungewöhnlich. Die meisten Hunde weichen dem Blick des Menschen aus. Ebenso
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