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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Prinz, verdient eine derartig eilfertige und blinde Ergebenheit. Und dich hasst er mit noch größerer Leidenschaft. Das macht mir Angst.«
    Etwas in Chades Tonfall verursachte mir ein flaues Gefühl im Magen. »Woher weißt du das?«
    »Weil er es Listenreich sagte, als dieser ihm befahl, dich als Schüler anzunehmen. ›Sollte der Bastard nicht lernen, seinen wirklichen Platz zu kennen? Sollte er nicht damit zufrieden sein, was Eure Gnade ihm zumisst?‹ Dann weigerte er sich, dich zu unterrichten.«
    »Er weigerte sich?«
    »Wie ich dir gesagt habe. Aber Listenreich war unerbittlich. Und weil er der König ist, musste Galen ihm gehorchen, auch wenn er selbst ein Gefolgsmann der Königin war. Galen gab also nach und sagte, er werde sein Bestes tun. Du wirst jeden Tag bei ihm Unterricht haben. Der beginnt von heute an gerechnet in einem Monat. Bis dahin gehörst du Philia.«
    »Und wo findet der Unterricht statt?«
    »Du und die anderen, ihr werdet euch auf der Dachterrasse eines Turms einfinden. Der Königin Sommerfrische nennt
man den Ort.« Chade zögerte, als hätte er den Wunsch, mich zu warnen, wollte mir aber keine Furcht einjagen. »Sei vorsichtig«, meinte er schließlich, »denn innerhalb der Mauern dieses Gartens habe ich keinen Einfluss. Dort bin ich blind.«
    Es war eine befremdliche Warnung, die ich mir zu Herzen nahm.

KAPITEL 13
    FÄUSTEL
    S chon in früher Jugend erwarb Prinzessin Philia sich den Ruf, außerordentlich exzentrisch zu sein. Als kleines Kind legte sie eine starrsinnige Unabhängigkeit an den Tag, ohne dass sie jedoch imstande gewesen wäre, für sich selbst zu sorgen. Eins ihrer Kindermädchen erzählte: »Sie lief den ganzen Tag mit offenen Schuhbändern herum, weil sie sie nicht zubinden konnte, aber sie duldete auch nicht, dass man ihr half.« Noch bevor sie das Alter von zehn Jahren erreichte, hatte sie beschlossen, auf die einer jungen Dame ihres Standes angemessene Erziehung zu verzichten, und wandte ihr Interesse stattdessen Betätigungen von äußerst fraglichem Nutzen zu: der Töpferei, der Kunst des Tätowierens, der Parfümherstellung und der Aufzucht von Pflanzen, insbesondere exotischen Gewächsen. Sie hatte keinerlei Skrupel, sich stundenlang der Aufsicht zu entziehen, und die Wälder und Haine erschienen ihr verlockender als die Gärten und Zierwäldchen ihrer Mutter. Man hätte denken sollen, die kleine Prinzessin wäre ein rechter Wildfang gewesen, gewandt und kerngesund. Weit gefehlt. Ständig war sie geplagt von Ausschlägen, Schürfwunden und Insektenstichen, verirrte sich bei ihren Ausflügen häufig und verhielt sich erstaunlich distanzlos gegenüber Mensch oder Tier.
    Sie brachte sich fast alles selber bei. Schon sehr früh lernte sie lesen und schreiben und verschlang mit kritikloser Wissbegier alles, was ihr an Schriften in die Hände fiel. Lehrer stöhnten über ihre Launen und dass sie häufig gar nicht erst zum Unterricht erschien, allerdings machte sie diese Unarten durch ihre rasche Auffassungsgabe wett. Nur die Anwendung des erworbenen Wissens interessierte sie nicht im Geringsten. Ihr Kopf war voll von Fantasien und Hirngespinsten, und so gab sie der Poesie und Musik den Vorzug vor der Logik und Konversation. Höfische Etikette und weibliche Koketterien langweilten sie.
    Dennoch heiratete sie einen Prinzen, der um ihretwillen den Zorn seines Vaters auf sich nahm und zum ersten Mal einen Skandal provozierte.
     
    »Halte dich gerade!«
    Ich richtete mich auf.
    »Nicht so! Du siehst aus wie ein Truthahn, der mit langgezogenem Hals auf die Axt wartet. Sei weniger steif. Aber nimm die Schultern zurück, keinen Buckel machen. Stehst du immer so da, mit nach außen gedrehten Füßen?«
    »Mylady, er ist noch ein Junge. Sie sind alle so in dem Alter, schlaksig und ungelenk. Lasst ihn hereinkommen und sich setzen.«
    »Nun, meinetwegen. Komm also herein.«
    Ich nickte der mondgesichtigen Dienerin zu, die meinen Gruß mit einem Lächeln erwiderte. Sie winkte mich zu einer holzgeschnitzten Bank, auf der zwischen aufgetürmten Kissen und Schals kaum Platz zum Sitzen war. Ich ließ mich auf einer Ecke der Bank nieder und sah mich in Prinzessin Philias Gemach um.

    Es herrschte ein schlimmeres Chaos als in Chades Klause.
    Unglaublich, dass jemand in so kurzer Zeit ein derartiges Tohowabohu anrichten konnte. Dabei war die Zusammenstellung der Dinge das eigentlich Bemerkenswerte. Ein Federfächer, ein Fechthandschuh und ein Bündel Rohrkolben steckten miteinander in

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