Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher
dir, was geschehen ist, hatte nichts mit dem Hund zu tun. Es war meine Unfähigkeit zu lernen. Meine Schwäche.«
»Still«, befahl er ungeduldig. »Dein Wort genügt mir. Ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass dein Versprechen gilt.
Sonst redest du allerdings viel ungereimtes Zeug. Schlaf jetzt wieder. Ich gehe weg, aber ich kehre bald zurück. Ruh dich aus. Schlaf ist die beste Medizin.«
Meine Worte schienen Burrich überzeugt und zu einem Entschluss gebracht zu haben. Er zog Stiefel an, ein weites Hemd und darüber ein ledernes Wams. Fäustel folgte ihm zur Tür und winselte ängstlich, als er hinausging, doch es gelang ihm nicht, mir den Grund für seine Unruhe mitzuteilen. Er sprang zu mir aufs Bett, kroch unter die Decke und tröstete mich mit seinem grenzenlosen Vertrauen. In der Atmosphäre der Hoffnungslosigkeit war er das einzige Licht. Ich schloss die Augen, und Burrichs Kräuter versetzten mich in einen traumlosen Schlaf.
Spät am Nachmittag erwachte ich wieder. Ein Schwall kalter Luft, der ins Zimmer wehte, als die Tür sich öffnete, kündigte Burrichs Rückkehr an. Er trat ans Bett, um mich zu untersuchen, schob beiläufig meine Lider hoch, um mir in die Augen zu sehen, und tastete dann mit kundigen Händen über meine Rippen und die sonstigen Blessuren. Schließlich brummte er zufrieden, wandte sich ab und tauschte sein zerrissenes, schmutziges Hemd gegen ein frisches. Dabei summte er vor sich hin, offenbar bester Laune - was mich in Anbetracht meiner Verletzungen und meines Seelenzustands doch etwas befremdete. Ich empfand es beinahe als Erleichterung, als er wieder ging. Unten hörte ich ihn pfeifen und den Stallburschen Befehle zurufen. Alles klang so normal und alltäglich, und ich hätte wer weiß was gegeben, wieder Teil davon sein zu dürfen. Ich sehnte mich nach dem warmen Geruch von Pferden, Hunden und Stroh, der einfachen Befriedigung gut getaner Arbeit und dem gerechten Schlaf der Erschöpfung am Ende eines Tages. Ich sehnte mich
danach, aber das Gefühl der eigenen Wertlosigkeit, das von mir Besitz ergriffen hatte, prophezeite mir, dass ich selbst darin versagen würde. Galen pflegte über die einfachen Leute zu spotten, die die alltäglichen Arbeiten in der Burg verrichteten. Er hatte nur Geringschätzung übrig für die Küchenmägde und Köche, Verachtung für die Stallburschen, und die Soldaten, die uns mit Schwert und Bogen vor Gefahren schützten, alle waren sie nach seinen Worten »Raufbolde und Dummköpfe, deren Schwerter schärfer sind als ihr Verstand«. Deshalb fühlte ich mich seltsam hin- und hergerissen.
Zwei Tage lang war ich ans Bett gefesselt. Burrich war so fröhlich und verarztete mich mit einer solchen Ungezwungenheit, dass er mich vor ein Rätsel stellte. Mit seinem federnden Schritt und der Selbstsicherheit, die er ausstrahlte, wirkte er zehn Jahre jünger, doch ich fand es nicht unbedingt sehr tröstlich, dass mein Unglück ihn in eine derartige Hochstimmung versetzte. Nach den zwei Tagen Krankenlager teilte er mir schließlich mit, allzu viel Ruhe sei ungesund, und es wäre an der Zeit, dass ich mir Bewegung verschaffte, um wieder zu Kräften zu kommen. Gleich trug er mir tausend kleine Arbeiten auf, die nicht zu schwer für mich waren, aber die doch ausreichten, um mich zu beschäftigen, weil ich mich noch oft ausruhen musste. Ich glaube, darauf kam es ihm hauptsächlich an, mich zu beschäftigen, denn während meiner Bettlägrigkeit hatte ich nur die Decke oder die Wände angestarrt und mich mit Selbstvorwürfen überhäuft. Unter meiner fortdauernden Niedergedrücktheit verlor selbst Fäustel seinen Appetit. Trotzdem blieb er mein einziger wirklicher Trost. Mir durch die Stallungen zu folgen, war für ihn das größte Glück. Jeden Geruch, jedes Bild übermittelte er mir mit einer solchen Intensität, dass ich trotz meiner trüben
Stimmung etwas von jenem Staunen wiedergewann, das ich bei meinem ersten Eintritt in Burrichs Welt empfunden hatte. Davon abgesehen schien er mich als seinen Alleinbesitz zu betrachten und wollte sogar Rußflocke das Recht verwehren, mich zu beschnuppern. Bei Hexe geriet er allerdings an die Falsche. Sie schnappte nach ihm, und er flüchtete jaulend zurück in meine sichere Nähe.
Den nächsten Tag gab Burrich mir frei, als ich ihn darum bat, und ich machte mich auf den Weg nach Burgstadt. Das Gehen fiel mir noch schwer, aber Fäustel war glücklich, denn so hatte er ausreichend Muße, jedes Grasbüschel und jeden Baum zu
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