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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Gerüchte sammelten oder ausstreuten, oder ob sie gemeinsam als Gruppe auftraten, um den Feind zu verwirren und zu demoralisieren. Ihre letzte Heldentat, die in der Ballade »Kreuzfeuers Opfermut« genau beschrieben wurde, war die Aufbietung all ihrer Kräfte, die sie während der Schlacht von Besham Königin Clairvoyante zuströmen
ließen. Ohne Wissen der erschöpften Königin gaben sie ihr mehr, als sie selbst entbehren konnten, und als man bei der Siegesfeier nach ihnen suchte, fand man die Mitglieder des Zirkels in ihrem Turm, wo sie entkräftet dahinsiechten. Vielleicht rührte die besondere Liebe des Volkes zu Kreuzfeuers Zirkel teils daher, dass sie alle in der einen oder anderen Weise gezeichnet waren: blind, lahm, durch eine Hasenscharte oder von Feuer verunstaltet, doch ihre Kraft lag in der Gabe und war gewaltiger als die des mächtigsten Kriegsschiffs und von größter Wichtigkeit für den Schutz der Königin.
    Während der friedlichen Regierungszeit von König Wohlgesinnt wurden keine neuen Zirkel mehr gebildet. Bestehende Gruppen zerfielen aufgrund des Alters, dem Tod einzelner Mitglieder oder einfach, weil es für sie nichts mehr zu tun gab. Es wurde dann Brauch, nur noch Prinzen in der Gabe auszubilden, und lange betrachtete man es als ziemlich archaische Kunst. Zur Zeit der Überfälle durch die Roten Korsaren praktizierten einzig König Listenreich und sein Sohn Veritas die Ausübung der Gabe. Listenreich gab Befehl, ehemalige Kundige aufzuspüren und zu rekrutieren, aber die meisten waren zu alt oder der Aufgabe nicht mehr gewachsen.
    Galen, Listenreichs Gabenmeister, erhielt den Auftrag, neue Zirkel zur Verteidigung des Reiches zu schaffen. Galen entschied sich für eine Abkehr von der Tradition. Er stellte fortan die Zirkel selbst zusammen, wo sich die Mitglieder früher untereinander selbst ausgewählt hatten. Galens Unterrichtsmethoden waren hart und zielten darauf ab, jeden einzelnen seiner Schüler zu blindem Gehorsam zu erziehen, zu einem bloßen Handwerkszeug des Königs. Dieser besondere Aspekt war Galens eigene Interpretation, und den ersten Zirkel, den er schuf, bot er König Listenreich wie ein großzügiges Geschenk dar. Wenigstens ein Mitglied der königlichen Familie verlieh seinem Abscheu über diesen Gedanken Ausdruck. Doch es hingen düstere Wolken über
dem Reich, und in Zeiten der Gefahr konnte König Listenreich der Versuchung nicht widerstehen, von der Waffe Gebrauch zu machen, die man ihm in die Hand gegeben hatte.
     
    Dieser Hass. Oh, wie sie mich hassten. Einer nach dem anderen traten sie auf die Terrasse heraus, stutzten, als sie mich hier vorfanden, und bedachten mich mit verächtlichen Blicken. Ich spürte diese Verachtung so deutlich wie einen Guss kaltes Wasser. Als dann schließlich der siebte und letzte Schüler dazugekommen war, umgab ihr Hass mich wie eine Mauer. Doch ich harrte an meinem gewohnten Platz aus und erwiderte stumm und gefasst jeden ihrer Blicke. Das war, glaube ich, der Grund, weshalb keiner das Wort an mich richtete. Wohl oder übel stellten sie sich auf wie immer, und auch untereinander redeten sie nicht.
    Wir warteten.
    Die Sonne ging auf und stand bereits über den Zinnen, und noch immer war Galen nicht gekommen, aber keiner wagte, den Turm zu verlassen. Wir fassten uns in Geduld. Endlich hörte man schleppende Schritte auf der Treppe. Galen erschien, kniff geblendet von der fahlen Sonne die Augen zusammen, sah mich und erschrak sichtlich. Ich zuckte nicht mit der Wimper. Wir fixierten uns gegenseitig. Er konnte die Bürde des Hasses erkennen, die meine ehemaligen Kameraden mir aufgeladen hatten, und es bereitete ihm genauso wie der Verband um meine Stirn Genugtuung. Doch ich sah ihm in die Augen und ließ mir keine Regung anmerken. Ich durfte mir keine Blöße geben.
    Allmählich wurde ich mir des Unbehagens bewusst, das die anderen empfanden. Man konnte ihn nicht anblicken und einfach so tun, als sähe man nicht, wie gnadenlos er abgestraft worden
war. Die Zeugensteine hatten ihr Urteil gesprochen und ihn in den Augen aller schwer gezeichnet. Sein hageres Gesicht schillerte in allen Regenbogenfarben, die Unterlippe war in der Mitte gespalten, der Mundwinkel eingerissen. Er trug ein langes Gewand, das die Spuren an seinem Körper verbarg, aber die fließende Weite der Kleidung stand in solchem Gegensatz zu seinen üblichen eng sitzenden Anzügen, dass man den Eindruck hatte, den Mann in seinem Nachthemd zu sehen. Auch seine Hände waren purpurn

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