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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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geschleppt hat. Ich war natürlich nicht dabei, sonst könnte ich dir schildern, wie Galen anfangs fluchte und nach ihm schlug, aber der Stallmeister achtete nicht darauf. Ohne ein Wort zu sagen zog er nur abwehrend die Schultern hoch, packte den Gabenmeister am Kragen, so dass der Mann fast keine Luft mehr bekam, und schleifte ihn hinter sich her. Und die Soldaten und Wachen und Stallburschen folgten den beiden, worauf sich bald eine große Menschenmenge gebildet hatte. Wäre ich dabei gewesen, könnte ich dir genau erzählen, wie sich da niemand einzumischen getraute, denn es schien, als hätte der Stallmeister sich wieder in den Burrich von früher verwandelt, den Burrich mit eisenharten Muskeln und einem gefährlichen Jähzorn, der sich zu blinder Wut steigern konnte. Niemand wagte einst ihm so entgegenzutreten, und jetzt konnte man glauben, wieder jenen Mann von damals vor sich zu haben. Selbst wenn er noch hinkte, dann war es ihm doch nicht anzumerken.
    Auf der anderen Seite der Gabenmeister, der wild um sich schlug und fluchte, bis er plötzlich still wurde. Da dachten alle schon, er würde versuchen, mittels der Gabe seines Peinigers Herr zu werden. Doch wenn er es tat, dann zeigte es keine Wirkung, außer dass der Stallmeister seinen Griff am Genick des Mannes noch verstärkte. Und falls Galen sich bemühte, die Umstehenden zu beeinflussen, damit sie ihm halfen, so rührte sich
keiner. Vielleicht war es ihm angesichts seiner Lage unmöglich, sich zu sammeln. Oder vielleicht ist seine Gabe nicht so stark, wie man allgemein glaubt. Oder vielleicht erinnern sich zu viele an seinen Hochmut, um auf seine listenreichen Versuche hereinzufallen. Oder vielleicht …«
    »Narr! Spann mich nicht auf die Folter! Was ist geschehen?« Ich schwitzte und zitterte am ganzen Körper, ohne zu wissen, was ich als Nächstes erwartete.
    »Ich war natürlich nicht dabei«, betonte der Narr liebenswürdig. »Aber man sagt, dass der dunkle Mann den knochigen Mann den ganzen Weg hinauf zu den Zeugensteinen hinter sich her schleppte. Und dort forderte er den Gabenmeister, ohne ihn allerdings loszulassen, zum Zweikampf heraus: ohne Waffen, nur mit den bloßen Händen, gerade so, wie sich der Gabenmeister tags zuvor an einem gewissen Jungen vergriffen hatte. Und die Steine würden es bezeugen, dass, falls Burrich siegte, Galen dann weder das Recht hatte, den Jungen zu schlagen, noch das Recht, ihm den Unterricht zu verweigern. In jedem anderen Fall hätte Galen sich geweigert, darauf einzugehen und die Sache vor den König selbst gebracht, nur im Ring der Zeugensteine blieb ihm nichts anderes übrig, als die Herausforderung anzunehmen. Also kämpften sie, und es schien, als ob ein Stier einen Strohballen in die Luft schleuderte, zerstampfte und mit den Hörnern zerfetzte. Und als es vorüber war, bückte sich der Stallmeister zum Gabenmeister hinab und flüsterte ihm etwas zu, bevor er und die Zuschauer sich schließlich abwandten und den Besiegten dort zwischen den Steinen liegen ließen, die Zeugen seiner erbärmlichen und blutigen Niederlage geworden waren.«
    »Was hat er zu ihm gesagt?«, fragte ich drängend.
    »Ich war nicht dabei. Ich habe nichts mit eigenen Augen gesehen
oder mit eigenen Ohren gehört.« Der Narr stand auf und reckte sich. »Du wirst zu spät kommen, wenn du dich nicht beeilst«, ermahnte er mich und ging. Gleich danach verließ ich mein Zimmer, stieg tief in Gedanken versunken die lange Turmtreppe hinauf zum geschändeten Garten der namenlosen Königin und war trotzdem noch als Erster dort.

KAPITEL 16
    LEKTIONEN
    D en alten Chroniken zufolge schlossen die Kundigen der Gabe sich zu exklusiven Zirkeln zusammen, die jeweils aus Gruppen von sechs Personen bestanden. Ursprünglich gehörte zu diesen Gruppen niemand vom herrschenden Zweig des Königshauses, sondern es waren die Vettern und Basen der Familien der Thronfolger sowie andere Personen, die die entsprechenden Fähigkeiten besaßen und für würdig erachtet wurden. Eine der berühmtesten Gruppen, Kreuzfeuers Zirkel, ist geeignet, als Beispiel zu dienen. Im Dienst von Königin Clairvoyante waren Kreuzfeuer und die Übrigen von einem Gabenmeister namens Taktik ausgebildet worden. Die Mitglieder dieses Zirkels wählten sich gegenseitig aus und erhielten anschließend von Taktik eine besondere Schulung, um sie zu einer Einheit zusammenzuschmieden. Und ihre Taten lieferten reichlich Stoff für Sagen; ob sie - über die gesamten Sechs Provinzen verstreut - nun

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