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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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verfärbt und geschwollen. Seine Reitpeitsche trug er nach wie vor bei sich, doch ich bezweifelte, dass er momentan imstande war, noch viel damit auszurichten.
    So musterten wir einander. Ich empfand keine Freude über seine Verletzungen oder seine Demütigung. Eher war ich deswegen etwas beschämt. Ich hatte so fest an seine Unverletzlichkeit und Überlegenheit geglaubt, dass ich mir töricht vorkam, nun erkennen zu müssen, dass auch er nur ein Mensch war. Meine Reaktion brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Zweimal machte er den Mund auf, um mich anzusprechen, dann schien er jedoch zu resignieren, wandte der Klasse den Rücken zu und sagte: »Beginnt mit euren Lockerungsübungen. Ich werde kontrollieren, ob eure Haltung korrekt ist.« Er sprach undeutlich durch den schmerzlich verzogenen Mund. Während wir uns gehorsam wiegten, streckten und beugten, schleppte er sich mühsam von einem zum anderen, wobei er sich angestrengt bemühte, keinen Halt an der Mauer suchen zu müssen oder sich zu oft auszuruhen. Verstummt war das dauernde Klatschen der Gerte gegen seinen Oberschenkel, das vorher den Takt zu unseren Übungen angegeben hatte. Jetzt hielt er sie umklammert, als hätte er Angst, sie könne ihm aus der Hand fallen. Ich für meinen Teil war dankbar, dass Burrich mich zum Aufstehen gezwungen hatte,
um zu vermeiden, dass meine Muskeln steif wurden. Zwar behinderte mich der Verband um die Rippen, aber ich gab mir alle Mühe, die Bewegungsabläufe mit der verlangten Präzision auszuführen.
    Neues lernten wir an diesem Tag nicht, Galen ließ uns nur wiederholen, was wir bereits konnten. Der Unterricht war früh zu Ende, denn die Sonne stand noch ein gutes Stück über dem Horizont. »Ich bin mit euch zufrieden«, sagte er schwerfällig. »Diese freien Stunden sind eine Belohnung, weil ihr in meiner Abwesenheit nicht untätig gewesen seid.« Bevor er uns entließ, mussten wir einzeln vor ihn hintreten, damit er uns kurz mit der Gabe berühren konnte. Die anderen verließen den Dachgarten nur zögernd und blickten mehrmals zurück; sie wären gerne noch geblieben, um zu sehen, wie er sich mir gegenüber verhielt. Als sie nach und nach alle fort waren, wappnete ich mich für die Konfrontation.
    Aber selbst das war eine Enttäuschung. Er rief mich zu sich, und ich folgte ihm ebenso schweigend und äußerlich respektvoll wie die anderen. Ich stand vor ihm, und er vollführte mit der Hand einige Gesten vor meinem Gesicht und über meinem Kopf. Dann sagte er mit ausdrucksloser Stimme: »Du schirmst dich zu stark ab. Du musst lernen, den Schild vor deinen Gedanken etwas zu senken, wenn du sie entweder aussenden oder die von anderen empfangen willst. Und jetzt geh.«
    Und ich ging weg wie die anderen, aber mit Bedauern. Insgeheim fragte ich mich, ob er wirklich den Versuch gemacht hatte, mich mit der Gabe zu erreichen. Ich hatte nichts gespürt. Von Schmerzen gepeinigt und verbittert stieg ich die vielen Stufen hinunter und fragte mich, wozu die Mühe.
    Ich ging erst in mein Zimmer und anschließend zu den Stallungen,
wo ich Rußflocke striegelte, während Fäustel mir zuschaute. Immer noch fühlte ich mich ruhelos und unzufrieden, obwohl ich wusste, dass ich mich eigentlich hätte ausruhen sollen, wenn ich morgen nicht dafür büßen wollte, dass ich der Stimme meines Körpers keine Beachtung geschenkt hatte. Steine laufen?, schlug Fäustel vor, und ich erklärte mich einverstanden, mit ihm in den Ort hinunterzugehen. Begeistert schnüffelte er um mich herum. Dem ruhigen Vormittag war ein windiger Nachmittag gefolgt, und draußen auf dem Meer braute sich ein Sturm zusammen. Aber der Wind war für die Jahreszeit sehr warm, und ich fühlte, wie die frische Luft mir den Kopf klar machte, und das gleichmäßige Dahingehen lockerte meine noch von Galens Übungen verkrampften Muskeln. Fäustels Sinneswahrnehmungen, die er in einem ständigen Strom an mich weitergab, verankerten mich fest in der gegenwärtigen Welt, so dass ich mich nicht in düsteren Gedanken verlieren konnte.
    Ich redete mir ein, es wäre Fäustel, der uns ohne Umwege zu Mollys Laden führte. Nach Welpenart war er an den Ort zurückgekehrt, wo man ihn schon einmal liebevoll aufgenommen hatte. Mollys Vater war an diesem Tag im Bett geblieben, und im Verkaufsraum hielt sich nur ein einziger Kunde auf, der mit Molly plauderte. Sie stellte ihn mir als Jade vor. Er war Maat auf irgendeinem Handelsschiff aus Robbenbucht, und mit seinen kaum zwanzig Jahren redete er mit

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