Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher
falsch beurteilen sollte und er mir womöglich eine Chance gab.
»Ihr werdet ein Zirkel sein, ihr, die ihr euch als würdig erweist. Ein Zirkel, wie es ihn nie zuvor gegeben hat, glaube ich sagen zu dürfen. Auf dem Höhepunkt des Frühlingsfestes werde ich euch dem König vorstellen, und er soll sehen, was ich Großes geschaffen habe. Da ihr so weit mit mir gekommen seid, wisst ihr, dass ich es nicht dulden werde, mich vor ihm von euch beschämen zu lassen. Deshalb werde nun ich selbst euch auf die Probe stellen, auf eine harte Probe, um die Gewissheit zu haben, dass die Waffe, die ich in meines Königs Hände lege, auch scharf ist. Morgen schon werde ich euch wie der Sämann den Samen über das gesamte Königreich verstreuen. Schnelle Pferde bringen euch dann zu eurem Bestimmungsort, wo ihr dann allein auf euch gestellt seid. Und keiner von euch wird wissen, wo sich die anderen befinden.« Er verstummte, wahrscheinlich um uns die vibrierende Spannung fühlen zu lassen, die in der Luft lag. Ich wusste, dass alle anderen in diese Schwingungen eingebunden waren und dass sie in buchstäblichem Hochgefühl beinahe ein gemeinsames Bewusstsein teilten, während sie ihre Instruktionen erhielten. Bestimmt hörten und spürten sie viel mehr als die einfachen Worte von Galens Lippen. Ich kam mir vor wie ein Fremder, der einem Gespräch in einer anderen Sprache lauschte. Mein Versagen stand von vornherein fest.
»Nach zwei Tagen werdet ihr gerufen. Von mir. Ihr erhaltet Anweisungen, mit wem ihr euch treffen sollt und an welchem Ort. Jeder von euch erhält die Informationen, die er braucht, um den Rückweg zu finden. Seid ihr gute Schüler gewesen, wird mein gesamter Zirkel rechtzeitig hier sein und bereitstehen, um
am Frühlingsabend vor das Antlitz des Königs zu treten.« Wieder einer seiner wirkungsvollen Pausen. »Glaubt nicht, es wäre damit getan, dass ihr den Weg zurück nach Bocksburg findet. Ihr sollt ein wirklicher Zirkel sein und nicht heimkehren wie die Brieftauben. Wie ihr kommt und in welcher Begleitung, das wird mir zeigen, ob ihr Kundige der Gabe geworden seid. Haltet euch bereit, morgen früh aufzubrechen.«
Dann entließ er uns einen nach dem anderen, wobei er für jeden außer mir wieder eine Berührung und ein Lob übrighatte. Ich stand vor ihm, so weit geöffnet, wie ich glaubte, es wagen zu dürfen, und trotzdem streifte mich die Berührung der Gabe nur wie ein leichter Windhauch. Er sah auf mich hinunter. Ich schaute zu ihm hinauf. Und ich bedurfte nicht der Gabe, um seinen grenzenlosen Hass und seine Verachtung zu spüren. Mit einem verächtlichen Laut blickte er zur Seite und gab mich frei. Ich wandte mich ab, um zu gehen.
»Viel besser wäre es gewesen«, sagte er mit seiner hohlen Stimme, »du hättest dich in jener Nacht über die Brüstung gestürzt, Bastard. Viel besser. Burrich dachte, ich hätte dich willkürlich misshandelt, aber ich bot dir einen Ausweg, den einzigen halbwegs ehrenhaften Ausweg für einen wie dich. Geh fort und stirb, Junge, oder geh einfach und kehre wenigstens nicht wieder. Mit deiner bloßen Existenz besudelst du den Namen deines Vaters. Bei Eda, ich kann mir nicht erklären, dass du überhaupt noch lebst. Dass ein Mann wie dein Vater so tief sinken konnte, seinen Samen an eine schmutzige Dirne zu verschwenden und etwas wie dich zu zeugen, das übersteigt bei mir jegliche Vorstellungskraft.«
Wie immer, wenn er von Chivalric sprach, bekam seine Stimme einen fanatischen Klang, und seine Augen wurden glasig vor
blinder Verehrung. Fast wie in Trance wandte er sich von mir ab und ging zur Treppe. Dort blieb er noch einmal stehen und drehte sich ganz langsam zu mir herum. »Ich muss fragen«, sagte er voller Häme und hasserfüllt, »bist du womöglich sein Lustknabe, dass er sich von dir die Kraft aussaugen lässt? Ist das der Grund, weshalb er so eifersüchtig über dich wacht?«
»Lustknabe?«, wiederholte ich verständnislos.
Als er lächelte, wirkte sein fleischloser Kopf wie ein Totenschädel. »Dachtest du, ich hätte es nicht bemerkt? Hast du geglaubt, du könntest mit seiner Hilfe diese Prüfung bestehen? O nein, Bastard, o nein. Ich werde das zu verhindern wissen!«
Er stieg die Treppe hinunter und ließ mich allein auf der Dachterrasse stehen. Ich hatte keine Ahnung, was seine letzten Worte zu bedeuten hatten, aber sein Hass durchströmte meine Adern wie Gift. In Gedanken an das letzte Mal, als ich allein hier blutend und halb besinnungslos zurückgeblieben
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