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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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war, ging ich zur Brüstung und schaute in die Tiefe. Diese Seite des Bergfrieds war dem Meer abgewandt, aber die Mauer wuchs hier dennoch schnurgerade aus einem Gewirr zerklüfteter Felsen empor - niemand konnte einen solchen Sturz überleben. Nur ein kurzer Augenblick der Überwindung, und ich war frei. Und was immer Burrich oder Chade oder sonst jemand davon halten mochte, konnte mir gleichgültig sein.
    Da erklang aus der Ferne der Widerhall eines leisen Winselns.
    »Ich komme, Fäustel«, murmelte ich und kehrte der Brüstung den Rücken.

KAPITEL 17
    DIE PRÜFUNG
    D as Mannbarkeitsritual findet gewöhnlich statt, sobald ein Knabe in sein vierzehntes Lebensjahr eintritt, zwischen dem ersten und dem letzten Tag seines Geburtstagsmondes. Es ist eine Ehre, die nicht jedem zuteilwird. Ein Adept muss als Pate hervortreten, und dieser eine muss ein Dutzend weiterer Adepten finden, die bekunden, dass der Anwärter würdig und bereit ist. Aus den Gesprächen der Soldaten hatte ich von der Zeremonie erfahren und wusste genug über ihr Gewicht und ihre Bedeutung, so dass ich nicht damit rechnete, je selbst diese Erfahrung zu machen. Allein deshalb nicht, weil niemand mein Geburtsdatum kannte. Außerdem hatte ich keine Ahnung, wer ein Adept war, ganz zu schweigen davon, ob es zwölf weitere Adepten gab, die einwilligten, mir die Würde zu verleihen.
    Doch eines Nachts, Monate nach der Konfrontation mit Galen, erwachte ich, und mein Bett war umringt von verhüllten Gestalten. Im Schatten der Kapuzen erkannte ich die Masken der Pfeiler.
    Niemandem ist gestattet, Einzelheiten der Zeremonie zu verraten, aber so viel, denke ich, darf ich sagen: Als mir jedes Leben in die Hände gelegt wurde, ob es sich um einen Fisch, einen Vogel oder ein vierfüßiges Tier handelte, so wählte ich für diese Wesen immer das
Leben und die Freiheit. Deshalb gab es bei meiner Zeremonie weder ein Sterben noch ein Gastmahl. Doch selbst in meiner damaligen Gemütsverfassung hatte ich das Gefühl, dass es um mich herum für eine Lebenszeit genügend Blut und Tod gegeben hatte, und ich weigerte mich zu töten, ob nun mit Händen oder mit Zähnen. Mein Pate ließ sich dennoch nicht davon abhalten, mir einen Namen zu geben, deshalb kann Er wohl nicht gänzlich enttäuscht von mir gewesen sein. Der Name wird traditionell der alten Sprache entnommen, die kein Alphabet und auch keine Schriftform besitzt. Ich habe überdies nie jemanden gefunden, mit dem ich das Geheimnis meines Männernamens zu teilen wünschte. Doch seine alte Bedeutung kann ich an dieser Stelle wohl preisgeben: Catalyst. Der Wandler.
     
    Ich ging geradewegs zu den Stallungen, zuerst zu Fäustel, dann zu Rußflocke. Die Beklommenheit, die ich bei dem Gedanken an den nächsten Tag empfand, schlug mir auf den Magen. In Rußflockes Stand lehnte ich den Kopf an ihre Mähne und kämpfte gegen die Übelkeit an. So fand mich auch Burrich vor. Seine schweren Schritte kamen näher, dann blieb er stehen. Ich spürte, wie er mich anschaute.
    »Nun? Was gibt’s?«, fragte er schroff, und sein Tonfall verriet, wie satt er mich und meine Probleme hatte. Wäre mir nicht so unsäglich elend zumute gewesen, hätte ich mich aufgerichtet und trotzig erklärt, dass alles in Ordnung sei.
    So aber murmelte ich in Rußflockes Fell: »Morgen will Galen uns prüfen.«
    »Ich weiß. Er ist heute aufgetaucht und hat verlangt, dass ich ihm Pferde für sein idiotisches Vorhaben bereithalte. Ich hätte mich geweigert, doch dann hielt er mir ein Siegel des Königs vor, das ihn zu seinen Forderungen berechtigt. Mehr weiß ich
auch nicht, also stell mir keine Fragen«, schloss er barsch, als ich rasch den Kopf hob und ihn ansah.
    »Ich hätte dich nicht danach gefragt«, erklärte ich beleidigt. Wenn überhaupt, wollte ich die gestellte Aufgabe selbst meistern, ohne mir einen unerlaubten Vorteil verschafft zu haben.
    »Du rechnest nicht damit, diese Bewährungsprobe, die er sich ausgedacht hat, zu bestehen, nicht wahr?« Burrich stellte die Frage in beiläufigem Ton, doch ich hörte seiner Stimme an, dass er auf eine Enttäuschung vorbereitet war.
    »Nein«, antwortete ich kurz und bündig. Dann schwiegen wir beide einen Moment und sinnten über die seltsame Endgültigkeit dieses einen Wortes nach.
    »Nun.« Er räusperte sich und zog seinen Gürtel stramm. »Dann sieh am besten zu, dass du es hinter dich bringst und hierher zurückkehrst. Es ist ja nicht so, als hättest du auf anderen Gebieten keine Erfolge zu

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