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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Stimme hinzu. »Glaubst du, es fällt mir leicht, dir zuzusehen, wie sehr du dich aufreibst?«
    Veritas seufzte schwer. »Nein. Schon gut. Ich weiß. Die Müdigkeit der Gabe spricht aus mir. Wenigstens einer von uns muss kühlen Kopf bewahren und versuchen, das Ganze zu sehen.
Für mich gibt es nichts anderes als das Hinaussinnen und dann die Orientierung, um den Navigator vom Steuermann zu unterscheiden, ihre geheimen Ängste zu wittern und aus der Besatzung jene Wankelmütigen zu finden, bei denen ich den Hebel ansetzen kann. Wenn ich schlafe, träume ich von ihnen, und wenn ich esse, stecken sie mir im Hals. Ihr wisst, Vater, ich habe nie Freude an der Gabe gehabt. Es erscheint mir eines Kriegers nicht würdig, in dem Bewusstsein eines anderen Menschen herumzuwühlen. Gebt mir dagegen ein Schwert, und ich werde mit der blanken Klinge bereitwillig nach seinen Eingeweiden forschen. Lieber schlitze ich einem Mann den Bauch auf, als ihm die Bluthunde seines eigenen Verstandes auf den Hals zu hetzen.«
    »Ich weiß, ich weiß«, meinte Listenreich beschwichtigend, aber ich bezweifelte, dass er wirklich begriff, was sein Sohn meinte. Ich hingegen konnte den Widerwillen verstehen, den Veritas für seine Aufgabe empfand. Irgendwie teilte ich diesen Widerwillen, und ich konnte mich des Gefühls nicht erwehren, dass ihn sein Tun entwürdigte. Doch als er mich anblickte, war weder in meinem Gesicht noch in meinen Augen zu lesen, was ich dachte. Tief in meinem Innern nagte das Schuldgefühl, dass ich nicht fähig gewesen war, die Gabe zu erlernen, und deshalb in dieser schweren Zeit meinem Onkel keinen besseren Beistand leisten konnte. Ich fragte mich aber gleichzeitig, ob er insgeheim vorhatte, sich noch einmal meiner Kraft zu bedienen. Der Gedanke jagte mir Angst ein, aber ich wappnete mich, um bereit zu sein. Veritas schenkte mir jedoch nur ein gütiges, wenn auch geistesabwesendes Lächeln, als wäre er mit etwas ganz anderem beschäftigt. Offenbar betrachtete er das gemeinsame Frühstück als beendet, denn er erhob sich von seinem Platz. Auf dem Weg
zur Tür strich er mir im Vorbeigehen über den Kopf, als wäre ich sein Hund.
    »Nimm meinen Leon mit ins Gelände und lass ihn meinetwegen Kaninchen jagen. Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich ihn von Tag zu Tag alleine lasse, aber sein stummes, anklagendes Flehen ist mir eine zu große Ablenkung.«
    Ich nickte. Die Gefühle, die ich von ihm spürte, überraschten mich - sie waren ein Schatten des gleichen Schmerzes, den ich empfunden hatte, als mir meine Hunde genommen wurden.
    »Veritas.«
    An der Tür drehte er sich auf Listenreichs Zuruf hin um.
    »Fast hätte ich vergessen, weshalb ich dich rufen ließ. Es ist natürlich die Bergprinzessin. Ketkin, glaube ich, heißt sie …«
    »Kettricken. Ich wenigstens erinnere mich tatsächlich daran. Ein mageres kleines Füllen, als ich sie das letzte Mal sah. So, auf sie ist die Wahl also gefallen?«
    »Ja. Aus ebenden Gründen, die wir gerade bis zum Überdruss besprochen haben. Auch ein Datum ist bereits festgesetzt. Zehn Tage vor unserem Erntefest. Du musst in der ersten Hälfte der Fruchtlese aufbrechen, um rechtzeitig in ihrer Hauptstadt einzutreffen. Dort findet eine Zeremonie vor ihrem eigenen Volk statt, um eue Verbindung offiziell zu machen und die Verträge zu besiegeln. Später werden wir hier in Bocksburg eine feierliche Hochzeit ausrichten. Edel hat bereits Nachricht gesandt, dass du …«
    Veritas ballte die Fäuste, und seine Miene verfinsterte sich. »Ganz unmöglich. Und du weißt das. Wenn ich meinen Posten mitten während der Ernte verlasse, wird es keinen Ort mehr geben, wohin ich mit meiner Braut zurückkehren kann. Schon immer sind die Outislander im letzten Schönwettermond vor dem
Einsetzen der Winterstürme am gierigsten und am frechsten gewesen. Glaubt Ihr, es wird dieses Jahr anders sein? Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass ich bei meiner Rückkehr die Piraten als Herren der Burg vorfinde und mich am Tor Euer aufgespießter Kopf begrüßt!«
    König Listenreich runzelte die Brauen, doch er fragte scheinbar ruhig: »Denkst du wirklich, die Folgen wären wirklich so schlimm, wenn du für gerade einmal zwanzig Tage von deinen Anstrengungen ablässt?«
    »Ich weiß es«, antwortete Veritas müde. »Ich weiß es mit derselben Sicherheit, wie ich weiß, dass ich schon jetzt auf meinem Posten sein und nicht mit unnützen Debatten Zeit verschwenden sollte. Vater, sagt ihnen, dass die Hochzeit

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