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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Sämling zwischen den Stengeln umherhuschte und seine Schatten über die bunten Kiesel warf, die den Boden des Gefäßes bedeckten. Ich versuchte mir den bleichen, zynischen Narren inmitten dieser schwerelosen Harmonie vorzustellen, wobei ich weiter ins Zimmer trat und etwas entdeckte, das mir den Magen umdrehte.
    Ein Säugling. Dafür hielt ich es zuerst, und bevor ich wusste, was ich tat, war ich mit zwei Schritten neben dem Körbchen, in dem es lag, und kniete nieder. Doch es war keineswegs ein lebendiges Kind, sondern eine so lebensechte Puppe, dass ich mir beinahe vorstellen konnte, wie die zarte Brust sich atmend hob
und senkte. Ich streckte die Hand zu dem blassen, anmutigen Gesichtchen aus, wagte aber nicht, es zu berühren. Die Wölbung der Stirn, die geschlossenen Lider, der rosige Schimmer der runden Wangen, sogar die winzige Hand, die auf der Zudecke ruhte, waren vollkommener, als ich es je bei einem künstlich geschaffenen Gegenstand für möglich gehalten hätte. Wer verstand sich wohl darauf, solch seidenglattes Porzellan herzustellen, und wessen Hand hatte die hauchfeinen Wimpern auf die Wangen gemalt? Die Zierdecke war über und über mit Stiefmütterchen bestickt, das Kissen war aus Satin genäht. Ich weiß nicht, wie lange ich dort davor kniete, als wäre dies tatsächlich ein schlummerndes Kind. Doch schließlich stand ich auf, ging rückwärts aus dem Zimmer und schloss leise die Tür hinter mir. Dann stieg ich langsam die unendlich vielen Stufen hinunter, voller Angst, ich könnte dem Narren begegnen. Gleichzeitig war ich von dem Wissen bedrückt, dass ich einen Bewohner der Burg gefunden hatte, der mindestens so einsam war wie ich.
    Chade rief mich in dieser Nacht zu sich, doch offenbar nur, um Gesellschaft zu haben. Wir saßen fast wortlos vor dem schwarzen Kamin, und ich dachte bei mir, dass er älter aussah als je zuvor. Wie Veritas von der Gabe verzehrt wurde, so schwand auch Chade allmählich dahin. An seinen knochigen Händen war kaum noch Fleisch, und das Weiß seiner Augen war von einem Netz roter Adern durchzogen. Obwohl er dringend Schlaf benötigte, hatte er mich zu sich gerufen. Dabei saß er nur stumm da und stocherte in den Speisen, die er für uns bereitgestellt hatte. Schließlich beschloss ich, ihm zu helfen.
    »Hast du Angst, dass ich es nicht fertigbringe?«, fragte ich ihn leise.
    »Dass du was nicht fertigbringst?«

    »Den Bergprinzen zu töten. Rurisk.«
    Chade drehte sich herum und sah mir lange und wortlos ins Gesicht.
    »Du wusstest also nicht, dass König Listenreich mir diesen Auftrag gegeben hat«, bemerkte ich kleinlaut.
     
    Langsam wandte er sich wieder dem leeren Kamin zu und studierte ihn sorgfältig, als gäbe es darin Flammen, in denen man etwas herauslesen konnte. »Ich bin nur der Werkzeugmacher«, sagte er nach einer Weile. »Ein anderer benutzt die Instrumente, die ich geschaffen habe.«
    »Glaubst du, ich sollte es nicht tun? Ist es falsch?« Ich holte tief Luft. »Nach allem, was ich weiß, hat er ohnehin nicht mehr lange zu leben. Vielleicht ist es sogar eine Gnade, wenn er im Schlaf stirbt, statt …«
    Chade schüttelte den Kopf. »Versuche nie, dir einzureden, wir wären etwas anderes, als das, was wir tatsächlich sind. Wir sind Assassinen, hinterhältige und geschickte Mörder. Nicht etwa nur die erbarmungsvollen Sendboten oder Racheengel eines weisen Königs. Politische Meuchelmörder, die zum Vorteil unserer Monarchie töten: Das sind wir.«
    Auch ich schaute jetzt in den Kamin mit den imaginären Flammen. »Du machst es mir sehr schwer. Schwerer, als es ohnehin schon war. Warum? Weshalb hast du mich denn zu dem gemacht, was ich bin - nur um mir dann Gewissensbisse einzureden …?« Ich ließ die Frage im Raum stehen.
    »Ich glaube … - ach, es ist auch nicht so wichtig. Vielleicht ist es nur eine Art Eifersucht. Wahrscheinlich frage ich mich, aus welchem Grund Listenreich statt mir dich beauftragt hat. Vielleicht habe ich Angst, dass ich für ihn nutzlos geworden
bin. Vielleicht wünsche ich mir, nachdem ich dich nun schon lange kenne, ich hätte nie aus dir gemacht, was …« Diesmal war es Chade, der verstummte und schweigend seinen Gedanken nachhing, die er nicht aussprechen konnte.
    Wir grübelten beide über meinen Auftrag nach. Es ging hier keineswegs darum, der königlichen Gerechtigkeit Genüge zu verschaffen. Es ging auch nicht darum, ein Todesurteil für ein Verbrechen zu vollstrecken. Es ging darum, einen Mann zu beseitigen, der dem

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