Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher
Veritas hat.«
Wir saßen kurz vor Morgengrauen an einem Berghang über dem Palast. Weiter waren wir nicht gekommen. Das Gelände war steil und ich nicht in der Verfassung für lange Wanderungen. Bei jedem tiefen Atemzug spürte ich ein Stechen in der Brust, möglicherweise hatte Edels Tritt in meine Rippen genau den alten Bruch getroffen, den ich Galen verdankte, und der Knochen war erneut gesplittert. Ab und zu lief ein krampfartiges Zittern durch meinen Körper, oder meine Beine knickten ein. Ohne Hilfe konnte ich nicht stehen. Ich konnte mich nicht einmal an einen Baumstamm klammern, um mich festzuhalten, weil ich keine Kraft in den Armen hatte. Um uns herum begannen die ersten Vögel zu singen, Eichhörnchen sammelten
emsig Vorräte für den Winter, und Insekten zirpten. Es war bedrückend, sich inmitten all dieses Lebens fragen zu müssen, welchen dauerhaften Schaden das Gift in meinem Körper angerichtet haben mochte. Waren die Tage meiner Jugend und Stärke bereits gezählt, erwarteten mich Gebrechlichkeit und Siechtum? Ich bemühte mich, diese Angst zu verdrängen und meine Gedanken auf die Gefahr zu richten, die den Sechs Provinzen drohte. Wie Chade es mich gelehrt hatte, machte ich mein Bewusstsein zu einem tiefen, stillen Teich. Der Wald um uns herum hatte etwas Feierliches.
Ich begriff, weshalb Eyod sich weigerte, die majestätischen Bäume fällen zu lassen. Wir saßen auf einem dicken weichen Nadelteppich und atmeten ihren kräftigen, harzigen Duft ein. Nun sich einfach hinlegen und schlafen können, wie Nosy neben mir, dachte ich bei mir selbst. Wenigstens war es ihm vergönnt, seinem Schmerz im Schlaf zu entfliehen.
»Weshalb glaubst du, dass August uns helfen würde?«, fragte Burrich. »Vorausgesetzt, er lässt sich überhaupt überreden, mit hierherzukommen.«
Seine Worte holten mich aus meinen fernen Gedanken zurück. »Ich glaube nicht, dass er mit ihnen unter einer Decke steckt. Ich glaube, er ist nach wie vor dem König treu ergeben.« Was ich wusste, hatte ich Burrich als das Ergebnis gründlichen Nachdenkens präsentiert. Er war nicht der Mann, der sich von jenen Geisterstimmen, die ich belauscht hatte, würde überzeugen lassen. Folglich konnte ich ihm nicht erzählen, dass Galen nichts davon erwähnt hatte, August zu töten, und das bedeutete möglicherweise, dass er nichts von ihrer Verschwörung ahnte. Ich selbst vermochte mir ja nicht zu erklären, was ich dort erlebt hatte. Edel verfügte nicht über die Gabe. Und selbst wenn doch, wie
war es möglich, dass ich ein fremdes Gespräch in Gedanken belauscht hatte? Nein, das musste etwas anderes gewesen sein, Zauberei. Galens Zauberei? War er so mächtig? Ich wusste es nicht. Ich wusste so vieles nicht, weshalb ich all das vorläufig ruhen lassen musste. Für den Augenblick passten die Fakten, die ich hatte, weit besser als alle Vermutungen, die ich anstellen konnte.
»Wenn er dem König ergeben ist und keinen Verdacht gegen Edel hegt, dann ist er auch Edel ergeben«, gab Burrich zu bedenken, als hätte er es mit einem Dummkopf zu tun.
»Dann bleibt uns nichts anderes übrig, als ihn irgendwie zu zwingen. Veritas muss gewarnt werden.«
»Natürlich. Ich gehe einfach hinein, halte August ein Messer an den Rücken und komme mit ihm hierherspaziert. Und niemand wird uns dabei aufhalten.«
Ich zermarterte mir den Kopf. »Und jemanden bestechen, damit er ihn herlockt? Dann kannst du dich auf ihn stürzen.«
»Selbst wenn ich jemanden fände, der sich bestechen ließe, was soll ich ihm anbieten?«
»Das hier.« Ich tippte an meinen Ohrring.
Burrich warf einen Blick darauf und zuckte zusammen. »Wo hast du den her?«
»Philia hat ihn mir gegeben. Kurz bevor wir aufbrachen.«
»Sie hatte kein Recht dazu!« Und in ruhigerem Ton: »Ich dachte, er hätte ihn mit ins Grab genommen.«
Ich schwieg und wartete.
Burrich schaute zur Seite. »Er gehörte deinem Vater. Ein Geschenk von mir.«
»Ein Geschenk. - Aus welchem Grund?«
»Aus keinem besonderen.« Es war offensichtlich, dass er nicht darüber sprechen wollte.
Ich hob die Hände, um den Schmuck aus dem Ohr zu lösen.
»Nein«, sagte er barsch. »Lass ihn, wo er ist. Das taugt nicht als Entgelt für eine unehrenhafte Tat. Außerdem lassen sich diese Chyurda nicht kaufen.«
Damit hatte er Recht. Ich versuchte, mir etwas anderes auszudenken. Die Sonne ging auf, es war Morgen. Der Morgen des Tages, an dem Galen handeln wollte. Vielleicht bereits gehandelt hatte. Ich hätte gerne
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