Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher
Macht?«
Burrich sah mich erst ungläubig, dann misstrauisch an. »Junge!«, sagte er drohend, doch meine arglose Miene schien ihn davon zu überzeugen, dass ich mich nicht verstellte.
»Die alte Macht«, begann er langsam. Sein Gesicht verdüsterte sich, und er senkte den Blick auf seine Hände, als erinnerte er sich einer vergessen geglaubten Sünde. »Es ist zu gleichen Teilen die Macht der blutrünstigen Bestie wie auch die Gabe, die der Königslinie entspringt. Zu Anfang mag es dir wie ein Segen erscheinen, denn es verleiht dir die Fähigkeit, die Sprache der Tiere zu verstehen. Aber dann ergreift es von dir Besitz
und zieht dich hinunter ins Zwielicht und macht dich zur Bestie wie alle anderen. Bis zuletzt nichts Menschliches mehr an dir ist, und du jagst und heulst den Mond an und trinkst Blut, als wäre das Rudel alles, was du je gekannt hast. Bis kein Mensch, der dich ansieht, mehr glauben wird, dass du je seinesgleichen warst.« Seine Stimme war leiser und leiser geworden, er hatte sich dem Feuer zugewandt und starrte in die züngelnden Flammen. »Man erzählt, der Verdammte nimmt schließlich auch die Gestalt der Bestie an, doch er tötet nicht mit dessen unschuldigem Hunger, sondern mit der Lust des Menschen. Töten um des Tötens willen …
Ist es das, was du willst, Fitz? Das edle Blut in deinen Adern ertränken im Blut der wilden Jagd? Wie ein Tier unter Tieren sein, nur um an ihrem Wissen teilzuhaben? Schlimmer noch, bedenke, was vorher kommt. Wird der Geruch von frischem Blut dich zur Raserei bringen, wird der Anblick einer Beute deinen Verstand auslöschen?« Er senkte die Stimme noch mehr, und ich konnte den tiefen Abscheu heraushören, den er empfand, als er mich fragte: »Wirst du fiebrig und schwitzend aufwachen, weil irgendwo eine Hündin läufig ist und dein Tierbruder es wittert? Wirst du dich mit diesem Wissen in dein Hochzeitsbett legen?«
Eingeschüchtert saß ich neben ihm. »Ich weiß nicht«, flüsterte ich kleinlaut.
Er fuhr zu mir herum. »Du weißt nicht? Ich erkläre dir, wohin das führt, und du sagst, du weißt nicht?«
Mein Mund war trocken, und Nosy kauerte als Häufchen Elend zu meinen Füßen. »Aber ich weiß es doch nicht«, beharrte ich. »Wie kann ich wissen, was ich tun werde, bevor ich es getan habe? Wie kann ich es also sagen?«
»Nun, wenn du es nicht kannst, werde ich es für dich tun!«, brüllte er, und erst da merkte ich, wie sehr er sich im Zaum gehalten, und auch, wie viel er an diesem Abend getrunken hatte. »Der Hund kommt weg, und du bleibst. Du bleibst hier, in meiner Obhut, wo ich dich im Auge behalten kann. Wenn Chivalric mich nicht bei sich haben will, ist dies das mindeste, was ich für ihn tun kann. Ich werde dafür sorgen, dass sein Sohn zu einem Mann heranwächst und nicht zu einem Wolfshund. Dafür werde ich sorgen, und sollte es unser beider Tod sein!«
Er beugte sich vor, um Nosy am Genick zu packen. Wenigstens war das seine Absicht, aber der Hund und ich wichen ihm aus. Beide stürzten wir zur Tür, aber der Riegel klemmte, und bevor ich ihn zurückziehen konnte, war Burrich über uns. Nosy stieß er mit dem Fuß zur Seite, mich packte er bei der Schulter und riss mich zurück. »Komm her, Unglückshund«, befahl er, doch Nosy flüchtete zu mir. Burrich stand keuchend und mit geballten Fäusten an der Tür, und ich spürte das unterschwellige Brodeln seiner Wut, die ihn drängte, uns beide zu zerschmettern und dem Ganzen damit ein Ende zu machen. Er hatte sich zwar gleich wieder in der Gewalt, aber dieser flüchtige Blick genügte, um mir Entsetzen einzuflößen. Als er dann plötzlich auf uns zusprang, stieß ich ihn mit all meiner Angst und Verzweiflung von mir.
Er stürzte so plötzlich zu Boden wie ein mitten im Flug vom Stein einer Schleuder getroffener Vogel und blieb einen Augenblick benommen sitzen. Ich hob Nosy auf und drückte ihn an die Brust. Burrich schüttelte langsam den Kopf, als wäre er vom Regen nass geworden, doch dann erhob er sich und ragte groß und düster vor uns auf. »Es liegt ihm im Blut«, hörte ich ihn murmeln. »Von seiner Mutter Seite her, sollte mich nicht wundern.
Aber er muss seine Lektion lernen.« Er sah mich an. »Lass dich warnen, Junge. Tu das niemals wieder. Niemals, hörst du? Und jetzt gib mir den Hund.«
Er kam wieder auf uns zu, und als ich die Woge seines mühsam unterdrückten Zorns spürte, war die Furcht stärker als die Vernunft. Ich setzte ihm erneut heftigen Widerstand entgegen. Doch
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