Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher
nicht gebraucht wurde. Er ließ die kurze
Schnur gegen sein Bein klatschen. »Weißt du, was das ist, Junge?«, fragte er leise und mit sanfter Stimme.
Ich schüttelte stumm den Kopf.
»Eine Hundepeitsche.«
Ich sah ihn verständnislos an. Weder in meinem noch in Nosys Erfahrungsschatz gab es etwas, das mir verraten hätte, was ich davon halten sollte. Burrich musste meine Verwirrung erkannt haben. Er lächelte gutmütig, und trotz dem nach wie vor freundlichen Klang seiner Stimme, erahnte ich aus seinem ganzen Benehmen eine lauernde Gefahr.
»Es ist ein Werkzeug, Fitz. Eine kleine Erziehungshilfe. Wenn man einen jungen Hund hat, der nicht pariert - man sagt zu ihm ›Bei Fuß‹, und er kommt nicht -, nun, ein paar Hiebe hiermit, und der Hund begreift, was man von ihm will. Ein paar wohlgezielte Hiebe, mehr braucht es nicht, um einem jungen Hund beizubringen, dass er gehorchen muss.« Während er in beiläufigem Ton redete, ließ er die kurze Schnur spielerisch über den Boden tanzen. Weder Nosy noch ich vermochten den Blick davon abzuwenden, und als er die Gerte plötzlich in Nosys Richtung schnippte, jaulte der Welpe entsetzt auf und brachte sich mit einem Satz hinter mir in Sicherheit.
Burrich sank langsam auf die Bank vor der Feuerstelle, beugte sich vor und legte eine Hand über die Augen. »O Eda«, ächzte er, halb wie im Fluch, halb wie im Gebet. »Ich habe es geahnt, vermutet, wenn ich euch zusammen laufen sah, aber, verflucht seien Els Augen, ich wollte es nicht wahrhaben. Ich wollte es nicht wahrhaben. In meinem ganzen Leben habe ich keinen jungen Hund mit diesem Ding geschlagen. Nosy hatte keinen Grund, sich davor zu fürchten. Außer er wusste, was du weißt.«
Welche Gefahr auch immer gedroht haben mochte, ich spürte,
dass sie nun vorüber war. Ich hockte mich auf den Boden zu Nosy, der auf meinen Schoß gekrochen kam und ängstlich mein Gesicht beschnüffelte. Er ließ sich von mir beruhigen, und beide saßen wir da, Junge wie Hund, schauten auf Burrich und warteten. Als er schließlich den Kopf hob, sah es aus, als hätte er geweint. Wie meine Mutter, erinnere ich mich, gedacht zu haben, doch seltsamerweise finde ich in meinem Gedächtnis kein Bild von ihr, wie sie weint. Ich sehe nur Burrichs tief betrübtes Gesicht.
»Fitz, Junge, komm hierher«, sagte er leise, und diesmal war etwas in seiner Stimme, das mich zwang zu gehorchen. Ich stand auf und ging zu ihm hin, Nosy auf den Fersen. »Nein«, sagte er zu dem Tier und deutete auf einen Platz zu seinen Füßen, während er mich zu sich auf die Bank hob.
»Fitz«, begann er und stockte. Nachdem er tief Atem geholt hatte, setzte er ein zweites Mal an. »Fitz, was du mit diesem kleinen Hund getan hast, ist falsch, ganz falsch. Es ist widernatürlich. Es ist schlimmer als stehlen oder lügen. Es zieht einen Menschen herab, auf eine niedrigere Stufe. Verstehst du, was ich meine?«
Ich schaute ihn ratlos an. Er seufzte und versuchte es von neuem.
»Junge, du bist von königlicher Abstammung. Bastard oder nicht, du bist Chivalrics natürlicher Sohn und deshalb aus direkter Königslinie. Und was du tust, das ist falsch. Es ist deiner nicht würdig. Verstehst du?«
Ich schüttelte stumm den Kopf.
»Da siehst du’s. Du hast das Reden verlernt. Nun sprich mit mir. Wer hat dich gelehrt, das zu tun?«
Ich gab mir einen Ruck. »Was zu tun?« Meine Stimme klang rau.
Burrichs Augen wurden schmal. Ich spürte, wie er sich bemühte, ruhig zu bleiben. »Du weißt, was ich meine. Wer hat dich gelehrt, in das Bewusstsein des Hundes einzudringen, seine Sinne zu gebrauchen, ihn deine Sinne gebrauchen zu lassen, euer Wissen zu teilen?«
Ich grübelte über seine Worte nach. Ja, so war es gewesen. »Niemand«, antwortete ich schließlich. »Es ist einfach passiert. Wir sind viel zusammen gewesen«, fügte ich hinzu, als wäre das Erklärung genug.
Burrich musterte mich durchdringend. »Du redest nicht wie ein Kind«, meinte er plötzlich. »Doch ich habe gehört, dass es sich so verhielt mit denen, die die alte Macht besaßen. Dass sie von Anfang an nie richtige Kinder waren. Immer wussten sie zu viel, und wenn sie älter wurden, wussten sie noch mehr. Deshalb galt es in früherer Zeit nicht als Verbrechen, sie zu jagen und auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen. Begreifst du, was ich dir zu erklären versuche, Fitz?«
Ich schüttelte den Kopf, doch als er die Stirn runzelte, überwand ich mich hinzuzufügen: »Aber ich gebe mir Mühe. Was ist die alte
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