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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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eng mit mir verbunden, dass sich mein Bewusstsein kaum je von dem seinen zurückzog. Ich benutzte seine Nase, seine Augen und seine Kiefer so selbstverständlich wie meine eigenen und kam nie auf den Gedanken, etwas Merkwürdiges daran zu finden.
    So verging der größte Teil des Sommers. Doch eines schönen Tages, die Sonne stand hoch am Himmel, der blauer war als das Meer, ging mein Glück schließlich zu Ende. Molly, Kerry und ich hatten eine Kette feiner Leberwürste aus einem Räucherhaus gestohlen und rannten auf der Flucht vor dem rechtmäßigen Besitzer die Straße hinunter. Nosy war wie immer bei uns. Die anderen Kinder hatten sich daran gewöhnt, ihn als meine zweite Hälfte zu betrachten. Ich glaube nicht, dass sie sich je über unsere wortlose Verständigung wunderten. Neuer und Nosy waren wir, und sie hielten es vermutlich für einen raffinierten Trick, dass Nosy schon vorher wusste, wo er sein musste, um den Leckerbissen zu schnappen, den ich ihm zuwarf. Deshalb waren wir eigentlich zu viert, als wir mit vollen, kauenden Backen die belebte Straße hinunterliefen, während hinter uns der Fleischermeister fluchte und schnaufte.
    Dann trat Burrich aus einer Ladentür.

    Ich stürmte geradewegs auf ihn zu. Die unvermutete Begegnung traf uns beide wie ein Schlag. Burrichs finstere Miene ließ keinen Zweifel daran, was er von meinem Betragen dachte. Ich entschied mich im Bruchteil einer Sekunde zur Flucht und bog zur Seite aus, nur um plötzlich festzustellen, dass ich ihm in meiner Verwirrung genau in die Arme gelaufen war.
    Was anschließend geschah, zählt nicht zu meinen angenehmen Erinnerungen. Es setzte handfeste Prügel, nicht nur von Burrich, sondern auch von dem wutschnaubenden Besitzer der Würste. Nosy kam Burrich auf dem Bauch entgegengekrochen, wurde aber von ihm am Nackenfell gepackt und geschüttelt und barsch ausgeschimpft. Schamerfüllt sah ich zu, wie Burrich seine Börse zog, um den Fleischer zu bezahlen, dabei hielt er mich so fest am Schlafittchen, dass ich nicht entrinnen konnte. Nachdem der Mann gegangen war und die Zuschauer sich verlaufen hatten, ließ er mich endlich los. Ich wunderte mich über den angewiderten Blick, mit dem er mich bedachte. »Ab nach Hause, alle beide. Auf der Stelle!«, kommandierte er in Unheil verkündendem Ton.
    Wir bewältigten den Rückweg zur Burg so schnell wie nie zuvor. Auf unserem Lager vor dem Herd warteten wir angstvoll auf Burrichs Rückkehr. Und warteten und warteten, den ganzen langen Nachmittag hindurch, bis zum frühen Abend. Uns beiden knurrte der Magen, aber wir wagten nicht, die Kammer zu verlassen. Etwas in Burrichs Gesichtsausdruck war furchteinflößender gewesen als selbst der Zorn von Mollys Papa.
    Als Burrich kam, war es mittlerweile tiefe Nacht geworden. Wir hörten seine Schritte auf der Stiege, und ich bedurfte nicht der guten Nase Nosys, um zu riechen, dass Burrich getrunken hatte. Wir machten uns ganz klein, als er in den halbdunklen
Raum trat. Sein Atem ging schwer, und er brauchte länger als gewöhnlich, um weitere Lichter an der einen Kerze zu entzünden, die ich hingestellt hatte. Danach ließ er sich auf eine Bank fallen und sah uns an. Nosy winselte und zeigte in Demutshaltung seinen Bauch. Ich wünschte mir, das Gleiche tun zu können, musste mich aber damit begnügen, furchtsam zu Burrich aufzublicken. Nach einer Weile brach er das Schweigen.
    »Fitz, was ist aus dir geworden? Was soll aus uns beiden werden? Treibst dich mit einer Bande von Strolchen auf der Straße herum, dabei fließt das Blut von Königen in deinen Adern. Du bist ein Streuner und Tagedieb.«
    Ich schwieg.
    »Und ich trage ebenso viel Schuld wie du, nehme ich an. Nun komm her. Komm her, Junge.«
    Zögernd trat ich einen, zwei Schritte vor. Näher wagte ich mich nicht heran.
    Burrich runzelte die Stirn über meine Ängstlichkeit. »Bist du verletzt, Junge?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Dann komm her.«
    Ich zauderte, und Nosy winselte vor Unentschlossenheit.
    Burrich sah erstaunt auf ihn hinunter. Ich konnte sehen, wie sein vom Wein benebelter Verstand arbeitete. Sein Blick wanderte von dem Hund zu mir und wieder zurück, und ein ungläubiges Begreifen trat auf seine Züge. Er schüttelte den Kopf, dann erhob er sich schwerfällig und ging humpelnd zu dem kleinen Regal in der Ecke, das ein Aufbewahrungsort für ein Sammelsurium verstaubter Werkzeuge und sonstiger Gegenstände war. Burrich nahm eine Gerte aus Holz und Leder, die allem Anschein nach lange

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