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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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die auf einem Schlachtfeld zwischen den Toten nach Überlebenden suchen, werden trotzdem stehen bleiben, um zu husten oder sich zu schneuzen, heben trotzdem den Blick, um den am
Himmel vorbeiziehenden Wildgänsen nachzusehen. Ich habe Bauern pflügen und säen gesehen, ungeachtet der Schlacht, die nur wenige Meilen entfernt tobte.
    So erging es auch mir. Ich blicke auf mich selbst zurück und staune. Meiner Mutter entrissen, gewaltsam in eine fremde Umgebung verpflanzt, von meinem Vater keines zweiten Blickes gewürdigt und in die Obhut dieses Mannes gegeben, dann meines Tierbruders beraubt, erhob ich mich dennoch eines Tages von meinem Lager und nahm das Leben eines kleinen Jungen wieder auf. Für mich hieß das aufstehen, wenn Burrich mich weckte, und ihm zur Küche zu folgen, wo ich beim Frühstück neben ihm saß. Auch die übrige Zeit hielt er mich an der kurzen Leine. Wie ein Schatten wurde ich zu seinem ständigen Begleiter, beobachtete ihn bei seiner Arbeit, und schließlich ging ich ihm bei vielen kleinen Dingen zur Hand. Abends saß ich wieder neben ihm auf der Bank und aß, wobei er mit scharfem Auge meine Tischmanieren überwachte. Anschließend ging es hinauf in seine Kammer, wo ich schweigend ins Feuer schaute, während er Becher um Becher leerte. Beim Trinken arbeitete er, besserte Zaumzeug aus, stellte eine Salbe her oder schrieb auf, wie ein Pferd behandelt werden sollte. Er arbeitete, und ich lernte - durch Zusehen, denn ich kann mich nur an wenige Worte erinnern, die zwischen uns gewechselt wurden. Merkwürdig, sich vorzustellen, dass zwei Jahre und der größte Teil eines dritten auf diese Weise vergingen.
    Ich lernte zu tun, was Molly tat, mir hie und da etwas Zeit für mich selbst zu stehlen, so an Tagen, in denen Burrich abberufen wurde, um bei einer Jagd die Meute zu führen oder einer Stute bei der Geburt ihres Fohlens beizustehen. Einige wenige Male wagte ich es, mich davonzustehlen, wenn er mehr getrunken
hatte, als er vertragen konnte, aber das waren gefährliche Ausflüge. Sowie ich entkommen konnte, suchte ich meine Freunde im Ort und strolchte mit ihnen herum, bis die Vorsicht mich zurücktrieb. Nosy fehlte mir so sehr, als hätte Burrich mir ein Glied meines Körpers abgetrennt, doch keiner von uns kam je wieder darauf zu sprechen. Rückblickend glaube ich, dass er ebenso einsam war wie ich. Chivalric hatte Burrich nicht gestattet, ihn ins Exil zu begleiten. Stattdessen hatte man ihn mit einem namenlosen Bastard zurückgelassen, der zu allem Überfluss die Anlage zu einer Gabe besaß, die er als widernatürlich betrachtete. Und obwohl Burrichs Bein schließlich heilte, musste er bald erkennen, dass er nie wieder würde reiten oder jagen oder auch nur laufen können wie früher. Alles das musste hart sein, hart für einen Mann wie Burrich. Niemals hörte ich, wie er sich bei jemandem beklagte, aber wenn ich darüber nachdenke, bei wem hätte er sich auch beklagen sollen? Wir waren beide Gefangene im Käfig der Einsamkeit, und wenn sich unsere Blicke an den Abenden trafen, schauten wir auf denjenigen, den wir jeweils dafür verantwortlich machten.
    Während alles vergehen muss, ist die Zeit das flüchtigste Gut, und im Lauf der Monate, dann der Jahre, fand ich allmählich einen festen Platz in der Ordnung der Dinge. Ich wurde Burrichs Laufbursche, holte ihm, was er brauchte, noch bevor er danach fragte, räumte auf, nachdem er kranke Tiere behandelt hatte, schaffte sauberes Wasser für die Falken herbei und suchte die von der Jagd zurückgekehrten Hunde nach Zecken ab. Die Leute gewöhnten sich an meinen Anblick und schenkten mir keine Beachtung mehr. Manche schienen mich überhaupt nicht zur Kenntnis zu nehmen. Nach und nach erlahmte auch Burrichs Wachsamkeit. Ich konnte mich freier bewegen, doch passte
ich trotzdem auf, dass er nichts von meinen Ausflügen in die Stadt mitbekam.
    Es lebten noch andere Kinder in der Burg, ungefähr in meinem Alter. Manche waren sogar mit mir blutsverwandt, Vettern zweiten oder dritten Grades, doch ich fand an sie keinen rechten Anschluss. Die jüngeren wurden von ihren Müttern oder Kinderfrauen beaufsichtigt, die älteren waren mit ihren eigenen Pflichten und Aufgaben beschäftigt. Sie waren nicht gemein zu mir, es gab nur keine Berührungspunkte zwischen uns. Deshalb blieben Dick, Kerry und Molly meine engsten Freunde. Bei meinen Streifzügen durch die Burg und an Winterabenden, wenn alles sich im Großen Saal zu Musik, Puppentheater oder Spielen

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