Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher
versammelte, lernte ich schnell, wo ich willkommen war und wo nicht.
Der Königin ging ich aus dem Weg, denn wann immer sie mich sah, fand sie etwas an meinem Benehmen auszusetzen und ließ Burrich deswegen tadeln. Auch von Edel drohte Gefahr. Obwohl er einer der Erwachsenen war, empfand er es nicht unter seiner Würde, mich zur Seite zu stoßen oder im Vorbeigehen wie aus Versehen das zu zertreten, womit ich gerade spielte. Er war einer Gehässigkeit und kleinlichen Rachsucht fähig, die man in Veritas’ Charakter vergebens suchte. Nicht etwa, dass Veritas sich Zeit für mich genommen hätte, doch unsere zufälligen Begegnungen waren niemals unangenehm. Wenn er mich bemerkte, zauste er mir das Haar oder schenkte mir einen Heller. Einmal kam ein Diener zu Burrich, der einige alte Spielsachen brachte, hölzerne Soldaten, Pferde und einen Wagen, an denen größtenteils die Farbe abgeblättert war. Beigefügt war eine Nachricht von Veritas, er hätte die Spielzeuge in einem Winkel seiner Kleidertruhe gefunden und gedacht, ich würde
mich darüber freuen. Mir fällt kein anderer Besitz ein, der mir je teurer gewesen wäre.
In den Stallungen war Cob jemand, den es mit Vorsicht zu genießen galt. Befand Burrich sich in der Nähe, tat er schön und behandelte mich anständig, doch zu anderen Zeiten gab er mir zu verstehen, dass er mich nicht in der Nähe seiner Arbeit oder im Weg stehen haben wollte. Ich fand heraus, dass er eifersüchtig auf mich war und meinte, ich hätte bei Burrich seinen Platz eingenommen. Er war nie hinterhältig, weder schlug er mich, noch schimpfte er mich grundlos aus, doch ich spürte seine Abneigung und hielt mich nach Möglichkeit fern von ihm.
Die Soldaten begegneten mir von allen mit der größten Herzlichkeit. Nach den Straßenkindern in der Stadt konnte ich sie noch am ehesten als meine Freunde betrachten. Doch ganz gleich, wie viel Sympathie erwachsene Männer einem Knaben von zehn Jahren entgegenbringen, es gibt zwischen ihnen zu wenige Gemeinsamkeiten. Ich schaute beim Würfelspiel zu und lauschte ihren Geschichten, aber für jede Stunde, die ich in ihrer Gesellschaft verbrachte, gab es ganze Tage, an denen ich nicht zu ihnen ging. Und obwohl Burrich mir den Aufenthalt im Mannschaftsquartier nicht ausdrücklich verbot, machte er doch keinen Hehl daraus, dass er meinen Umgang dort nicht billigte.
So war ich zwar ein Mitglied der Burggemeinschaft und dennoch ein Außenseiter. Um manche Leute machte ich einen Bogen, zu anderen fühlte ich mich hingezogen, von einigen nahm ich auch nur Befehle entgegen. Doch mit niemandem fühlte ich mich wirklich verbunden.
Dann, eines Morgens, ich war nicht ganz zehn Jahre alt, trieb ich mich unter den langen Tischen im Großen Saal mit den Hunden herum. Es war noch ziemlich früh. Am Tag zuvor hatte
es aus irgendeinem Anlass ein Fest gegeben, und erst weit nach Mitternacht war in der Burg Ruhe eingekehrt. Burrich hatte sich sinnlos betrunken. So gut wie jeder, ob von hohem oder niederem Stand, lag noch im Bett, und in der Küche hatte sich kaum etwas finden lassen, um meinen Hunger zu stillen. Aber die Festtafel im Großen Saal war eine reiche Fundgrube zerkrümelter Pasteten und angeschnittener Braten. Dazwischen fanden sich Schalen mit Äpfeln, Käseviertel, kurz, alles, was ein knurrender Magen sich nur wünschen konnte. Die großen Hunde hatten sich mit den besten Knochen in ihre Schlupfwinkel zurückgezogen, während die jungen sich um die Reste balgten. Ich hatte mich mit einer noch ansehnlichen Fleischpastete unter den Tisch verkrochen und teilte sie brüderlich mit meinen drei Lieblingen unter den Welpen. Seit der Sache mit Nosy achtete ich darauf, dass Burrich keinen Grund hatte, mich zu verdächtigen, ich könnte mir unter den jungen Hunden wieder einen Gefährten suchen. Ich verstand immer noch nicht, welchen unverzeihlichen Verbrechens ich mich schuldig gemacht haben sollte, jedoch wollte ich auch keinen der kleinen Kerle in Gefahr bringen, indem ich mich gegen Burrich auflehnte. Also fütterte ich abwechselnd drei Welpen mit Pastetenstückchen, bis ich langsame, raschelnde Schritte hörte, die auf dem mit Binsen ausgestreuten Boden näher kamen. Zwei Männer unterhielten sich mit gedämpfter Stimme.
Ich dachte, es wären die Küchenhelfer, die kamen, um Ordnung zu schaffen, deshalb kroch ich unter dem Tisch hervor, um mir schnell noch ein paar schmackhafte Bissen zu sichern, bevor abgeräumt wurde.
Doch es war beileibe kein Dienstbote,
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