Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher
jemand die Mühe machen würde, nach mir zu suchen? Doch stattdessen nahm ich den Henkelkorb auf den rechten Arm und machte mich schweren Herzens auf den weiteren Rückweg zur Burg.
KAPITEL 7
EINE AUFGABE
B eim Tod von Königin Desiderata ging das Gerücht um, sie sei vergiftet worden. Ich habe mich entschlossen, hier niederzuschreiben, wovon ich weiß, dass es die aufrichtige Wahrheit ist. Königin Desiderata starb an einer Vergiftung, aber von eigener Hand und über einen langen Zeitraum hinweg, und ihren Gemahl, den König, traf keine Schuld. Oft hatte er versucht, sie von ihren Exzessen abzuhalten. Mediziner wurden konsultiert, auch Kräuterkundige, doch kaum hatte er sie davon überzeugen können, eine Droge aufzugeben, schon entdeckte sie eine neue, deren Wirkung sie ausprobierte.
Zum Ende ihres letzten Sommers wurde sie noch zügelloser, nahm verschiedene Mittel gleichzeitig und gab sich keinerlei Mühe mehr, ihre Sucht geheimzuhalten. Ihr Benehmen war eine schwere Prüfung für den König, denn auch im Rausch ließ sie sich zu haltlosen Anschuldigungen und aufrührerischen Reden hinreißen, bei welchem Anlass oder vor welchen Zuhörern auch immer. Man hätte annehmen sollen, diese Ausschweifungen gegen Ende ihres Lebens hätten ihre Anhänger abgeschreckt, aber im Gegenteil, sie behaupteten entweder, Listenreich hätte sie dazu getrieben, sich selbst zu zerstören, oder ihr eigenhändig
Gift verabreicht. Doch ich weiß mit absoluter Sicherheit, dass der König an ihrem Tode keine Verantwortung trägt.
Burrich schnitt mir zum Zeichen der Trauer um Chivalric die Haare bis auf einen Fingerbreit ab. Sich selbst schor er den ganzen Kopf und rasierte sich dazu noch Bart und Augenbrauen ab. Die blasse Haut des Schädels bildete einen krassen Gegensatz zu seinem wettergegerbten Gesicht; er sah merkwürdig aus, merkwürdiger noch als die Waldmänner mit ihrem harzverklebten Haar und den rot und schwarz gefärbten Zähnen. Die Kinder starrten diese wilden Gesellen an und flüsterten hinter vorgehaltener Hand, wenn sie vorübergingen, aber vor Burrich zuckten sie förmlich zusammen und verstummten. Wahrscheinlich wegen seiner Augen. Die leeren Knochenhöhlen eines Totenschädels enthielten mehr Leben als Burrichs Augen in jenen Tagen.
Edel sandte einen Diener, um Burrich zu tadeln, weil er sich Haar und Bart geschoren hatte. Das wäre nur für einen gekrönten König angemessene Trauer, nicht für einen Mann, der auf die Thronfolge verzichtet hatte. Burrich starrte den Boten eindringlich an, bis sich dieser davonschlich. Veritas kürzte Haar und Bart um eine Handbreit, wie es der Trauer um einen Bruder entsprach. Einige Männer der Leibgarde stutzten ihren Nackenzopf, die einen mehr, die anderen weniger, das war ihre Ehrerbietung beim Tod eines gefallenen Kameraden. Doch was Burrich mit sich und mir getan hatte, das war extrem. Die Leute starrten uns an. Mir lag auf der Zunge zu fragen, weshalb ich um einen Vater trauern sollte, den ich niemals gesehen hatte, der nie zu mir gekommen war, um mich zu besuchen, aber ein Blick in seine Augen und auf seinen verkniffenen Mund belehrte
mich eines Besseren. Niemand berichtete Edel von der Trauerlocke, die er jedem Pferd aus der Mähne schnitt, oder von dem stinkenden Feuer, das alle diese Haaropfer verzehrte. Ich hatte nur eine verschwommene Vorstellung von dem, was Burrich da trieb - er wollte wohl einen Teil unserer Seele zusammen mit Chivalrics Seele auf die Reise schicken. Das war ein Brauch, der von dem Volk seiner Großmutter stammte.
Es schien beinahe, als wäre Burrich ebenfalls gestorben. Eine kalte Macht regierte seinen Körper, so dass er zwar weiter pflichtgetreu seiner Arbeit nachging, sie jedoch ohne Anteilnahme oder Freude erfüllte. Knechte, die zuvor um ein anerkennendes Kopfnicken von ihm gewetteifert hatten, wandten sich jetzt ab, als schämten sie sich für ihn. Nur Hexe blieb ihm treu. Die alte Hündin folgte ihm auf Schritt und Tritt, und obwohl sie von ihm durch keinen Blick oder Streicheln belohnt wurde, blieb sie anhänglich wie ein Schatten. Einmal drückte ich sie tröstend an mich, wagte sogar, in ihr Bewusstsein vorzudringen, aber dort spürte ich nur eine beklemmende Furcht, sich darauf einzulassen. Sie trauerte mit ihrem Herrn.
Die Winterstürme brausten und heulten um die Klippen. Die leblose Kälte der Tage leugnete jegliche Vorstellung eines Frühlings. Chivalric wurde in Weidenhag beigesetzt. In der Burg fand ein Trauermahl statt,
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