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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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doch es war recht kurz und verlief sehr still - mehr ein steifes Ritual als ein Ausdruck echter Trauer. Wer aufrichtig um ihn trauerte, schien sich einer Geschmacklosigkeit schuldig zu machen. Sein öffentliches Leben hätte bereits mit seiner Abdankung beendet sein sollen; wie taktlos von ihm, nun mit seinem Tod erneut Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
    Eine Woche nachdem mein Vater gestorben war, wurde ich
von dem vertrauten Luftzug der Geheimtür geweckt und von dem gelben Lichtschein herbeigerufen. Ich sprang aus dem Bett und lief die Treppe hinauf zu meinem Refugium. Wie gut würde es doch tun, endlich aus dieser ganzen bedrückenden Stimmung zu entkommen und wieder unter Chades Anleitung Kräuter zu mischen und seltene Dämpfe zu erzeugen. Endlich das schwebende Gefühl der Verunsicherung abschütteln zu können, das mich plagte, seit ich von Chivalrics Tod erfahren hatte.
    Aber die Alchemistenküche in seinem Zimmer lag im Dunkeln, der Kamin war aus. Chade saß vor seinem eigenen Feuer; als ich zu ihm hereinkam, winkte er mich zu sich. Ich setzte mich ihm zu Füßen und sah zu ihm auf, doch er hob nur seine narbige Hand und legte sie auf meinen geschorenen Kopf. Eine Weile saßen wir so da und schauten gemeinsam in das Feuer.
    »Nun, da wären wir, mein Junge«, sagte er schließlich, um dann gleich wieder zu verstummen, als hätte er damit alles gesagt, was es zu sagen gab. Er zauste meine kurzen Haarstoppeln.
    »Burrich hat mir das Haar abgeschnitten«, erklärte ich.
    »Das sieht man.«
    »Ich finde es grässlich. Es kribbelt und sticht an meinen Kissen, und ich kann nicht schlafen. Meine Kappe rutscht mir dauernd vom Kopf. Und ich sehe wirklich blöd aus.«
    »Du siehst aus wie ein Junge, dessen Vater gestorben ist.«
    Ich schwieg verdutzt. Die ganze Zeit hatte ich angenommen, mein Haarschnitt wäre eine weniger radikale Version von Burrichs kahlgeschorenem Schädel. Doch Chade hatte Recht. Dieser Schnitt war Ausdruck der Trauer eines Sohnes um seinen Vater, nicht die eines Untertanen, der seinen Monarchen beweint. Das machte mich aber nur noch wütender.

    »Aber weshalb sollte ich um ihn trauern?«, fragte ich Chade, was ich Burrich nicht zu fragen gewagt hatte. »Ich kannte ihn doch überhaupt nicht.«
    »Er war dein Vater.«
    »Er hat irgendeine Frau geschwängert. Als er von meiner Existenz erfuhr, verschwand er. Schöner Vater. Er hat sich nie um mich gekümmert.« Ich stieß die Worte trotzig hervor. Ich war aufgebracht von Burrichs tiefer, ungebärdiger Trauer - und jetzt auch noch Chades stiller Kummer.
    »Das weißt du nicht, du hast nur gehört, was man sich erzählt. Manche Dinge kannst du in deinem Alter noch nicht verstehen. Du hast nie gesehen, wie ein Vogel sich flügellahm stellt, um Nesträuber von seinen Jungen wegzulocken.«
    »Das sagst du nur so.« Obwohl ich mich innerlich dagegen wehrte, geriet meine Überzeugung ins Wanken. »Er hat mir nie in irgendeiner Weise zu verstehen gegeben, dass er sich um mich sorgt.«
    Chade wandte den Kopf und sah mich an. Seine Augen waren glanzlos, eingesunken und gerötet. »Hättest du gewusst, dass er sich um dich sorgt, dann hätten es auch die anderen gemerkt. Wenn du ein Mann bist, begreifst du vielleicht, wie viel Überwindung ihn das gekostet hat. Gleichgültigkeit vorzutäuschen, um dich zu schützen. Damit seine Feinde dir keine Beachtung schenken.«
    »Nun, ›gleichgültig‹, warum er so tat, als gäbe es mich nicht: Jetzt, nachdem er tot ist, werde ich bis ans Ende meiner Tage ohnehin keine Gelegenheit mehr haben, meinen Vater doch noch kennenzulernen.«
    Chade seufzte. »Und dieses Ende deiner Tage wird jetzt erheblich später kommen, als wenn er dich zuvor als Erben anerkannt
hätte.« Er zögerte, dann fragte er behutsam: »Was willst du über ihn wissen, mein Junge?«
    »Alles. Aber woher willst du etwas über ihn wissen?« Je verständnisvoller Chade wurde, umso mürrischer reagierte ich.
    »Ich habe ihn sein ganzes Leben lang gekannt. Ich habe … mit ihm zusammengearbeitet. Oft sogar. Ich war wie sein Schatten.«
    »Wie meinst du das?« Trotz allem war mein Interesse geweckt.
    »Es gibt Mittel und Wege.« Chade räusperte sich. »Mittel und Wege, um auf dem diplomatischen Parkett Hindernisse einfacher aus dem Weg zu räumen. Um eine Partei verhandlungsbereiter zu machen. Dinge können geschehen …«
    Meine Welt stand Kopf. Die Wirklichkeit stürzte auf mich ein, die Erkenntnis dessen, was Chade eigentlich war und was auch ich

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