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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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bald sein würde. »Du willst sagen, ein Mann muss dafür sein Leben lassen, damit sein Nachfolger unseren Anliegen gegenüber zugänglicher wird. Aus Furcht oder aus …«
    »Dankbarkeit. Ja.«
    Kaltes Grauen erfüllte mich, als mir die Wahrheit plötzlich klar und deutlich vor Augen stand. All die Lektionen und sorgfältigen Instruktionen - allein zu diesem Zweck! Ich wollte aufstehen, aber Chade legte mir die Hand auf die Schulter.
    »Oder ein Mann lebt zwei oder fünf oder zehn Jahre länger, als man es für möglich gehalten hätte, und bereichert die Politik durch die Weisheit und die Toleranz des Alters. Oder ein Kind wird von einem erstickenden Husten befreit, und die Mutter erkennt voller Dankbarkeit, dass das, was wir anbieten, für alle Beteiligten heilsam sein kann. Der Schatten ist nicht immer der Schatten des Todes, mein Junge. Nicht immer.«

    »Oft genug.«
    »Ich habe dich darüber nie im Unklaren gelassen.« Aus seinem Tonfall hörte ich zwei Dinge heraus, die mir bis dahin an ihm fremd waren: Rechtfertigung und Verletzlichkeit. Aber die Jugend ist mitleidlos.
    »Ich glaube nicht, dass ich noch etwas von dir lernen möchte. Ich denke, ich werde zum König gehen und ihm sagen, er soll sich einen anderen suchen, um für ihn Mordanschläge auszuführen.«
    »Die Entscheidung liegt bei dir. Doch ich rate dir davon vorläufig ab.«
    Seine Gelassenheit irritierte mich. »Warum?«
    »Weil es alles zunichtemachen würde, was Chivalric für dich erreichen wollte. Es würde die Aufmerksamkeit auf dich lenken, und zurzeit wäre das alles andere als wünschenswert.« Seine langsam gesprochenen Worte hatten das Gewicht der Wahrheit.
    »Warum?« Ich bemerkte, dass ich nur noch flüsterte.
    »Weil jemand den Wunsch haben wird, dem Kapitel Chivalric ein Ende zu machen, und wie könnte man das besser erreichen, als wenn man seinen einzigen Spross beseitigt? Die fraglichen Leute werden genau beobachten, wie du auf den Tod deines Vaters reagierst. Erwacht dein Ehrgeiz, wirst du unruhig? Wirst du zum Ärgernis werden, wie er eines war?«
    »Was?«
    »Mein Junge«, sagte er und zog mich dicht an sich heran. Zum ersten Mal hörte ich den Besitzanspruch in seinen Worten. »Für dich ist es jetzt das Beste, dich ruhig und unauffällig zu verhalten. Ich verstehe, weshalb Burrich dir das Haar abgeschnitten hat, aber gut ist es für dich nicht. Mir wäre lieber, man
hätte niemandem so noch einmal ins Gedächtnis gerufen, dass Chivalric dein Vater war. Du bist noch ein Kind, aber hör mir zu: Fürs Erste lass alles so, wie es ist. Warte sechs Monate. Oder ein Jahr. Dann entscheide dich. Übereile nichts …«
    »Wie ist mein Vater gestorben?«
    Chades Augen forschten in meinem Gesicht. »Hast du nicht gehört, dass er vom Pferd gefallen ist?«
    »Doch. Und ich hörte Burrich den Mann verfluchen, der ihm das auftischen wollte. Burrich meinte, Chivalric würde niemals von seinem Pferd fallen und niemals würde dieses ihn abwerfen.«
    »Burrich sollte seine Zunge hüten.«
    »Wie ist mein Vater dann gestorben?«
    »Ich weiß es nicht. Aber genau wie Burrich glaube ich nicht, dass er vom Pferd gefallen ist.« Chade schwieg. Ich saß still zu seinen Füßen und starrte in sein Feuer.
    »Und werden sie mich auch ermorden?«
    Er ließ sich geraume Zeit mit der Antwort. »Wer weiß. Nicht, solange ich es verhindern kann. Ich nehme an, erst müssen sie König Listenreich von der Notwendigkeit dazu überzeugen. Und falls ihnen das gelingt, werde ich davon erfahren.«
    »Dann glaubst du, dass jemand in der Burg seine Fäden zieht?«
    »Ja.« Chade machte eine Pause, aber ich schwieg, ohne mit meinen Fragen fortzufahren. Er antwortete dennoch. »Ich wusste nicht, was sich hier zusammenbraute. Ich war in keiner Weise daran beteiligt. Sie sind nicht einmal zu mir gekommen, um mit mir zu sprechen. Wahrscheinlich wussten sie, dass ich ihren Auftrag nicht einfach nur abgelehnt, sondern auch versucht hätte, ihr Vorhaben zu vereiteln.«

    »Oh.« Ein Teil meiner Anspannung löste sich, aber er hatte mich bereits zu gut in der höfischen Denkweise trainiert. »Dann wäre es unklug von ihnen, sich an dich zu wenden, wenn sie mich aus dem Weg haben wollen. Sie müssten befürchten, dass du mich warnst.«
    Er umfasste mein Kinn mit der Hand und hob mein Gesicht zu sich empor. »Deines Vater Tod sollte dir als Warnung genügen, jetzt wie in der Zukunft. Du bist ein Bastard, Junge. Wir sind immer ein Risiko und eine Schwachstelle. Wir sind immer

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