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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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gerüstete Dörfer auszukundschaften, während wir versuchten, sie mit scheinbar leichten Zielen zu ködern, um unsererseits die Piraten zu erschlagen
und auszurauben. Doch wenn es sich um einen Wettstreit handelte, dann lief es für uns sehr schlecht in diesem Jahr. Bei jedem Besuch in der Stadt hörte ich von neuen Unglücksnachrichten und vom Murren der Leute.
    Oben in der Burg bei den Soldaten herrschte ein allgemeines Gefühl der Hilflosigkeit, das ich teilte. Die Outislander hatten keine Mühe, unseren Kriegsschiffen auszuweichen, und tappten nie in unsere Fallen. Sie schlugen zu, wo wir am schwächsten waren und wo wir es am wenigsten erwarteten. Am härtesten traf dies alles Veritas, dem nach der Abdankung Chivalrics die Rolle als Verteidiger des Reichs zugefallen war. In den Tavernen grollte man, es gäbe ein Fiasko nach dem anderen, seit er ohne den klugen Rat seines Bruders auskommen müsse. Bis jetzt wurde nicht offen gegen ihn gemeutert, doch es sprach sich auch niemand zu seinen Gunsten aus.
    Ich für meine Person betrachtete diese Raubzüge als etwas, das mich nichts anging. Sicher, sie waren schrecklich, und ich verspürte vages Mitleid für die Dörfler, denen der rote Hahn aufs Dach gesetzt wurde. Doch aus der Geborgenheit der starken Festung heraus fiel es mir schwer, die andauernde Furcht und angespannte Wachsamkeit nachzuempfinden, in der die anderen Hafenstädte lebten, oder etwa auch den ohnmächtigen Zorn der Ausgeplünderten, die jedes Jahr von neuem vor den rauchenden Trümmern ihres Hab und Guts standen. Doch lange sollte mir meine naive Ahnungslosigkeit nicht erhalten bleiben.
    Eines Morgens ging ich wie immer zu Burrich zum »Unterricht«, obwohl ich ebenso viel Zeit wie mit dem Lernen damit verbrachte, Tiere zu verpflegen und so wie ich eingelernt wurde meinerseits junge Hengste und Stutenfohlen einzulernen und
abzurichten. Ich hatte mehr und mehr Cobs Platz in den Stallungen eingenommen, während er zu Edels Pferdeburschen und Hundebetreuer aufgestiegen war. Doch an dem Tag ging Burrich zu meiner Überraschung mit mir hinauf in seine Kammer und setzte sich an den Tisch. Ich fürchtete, einen ganzen Vormittag mit Geschirrputzen verbringen zu müssen.
    »Heute werde ich dich feine Lebensart lehren«, verkündete er gänzlich unerwartet. Dabei schwang in seiner Stimme ein skeptischer Unterton mit, als zweifelte er an meiner Fähigkeit, diesen Anforderungen genügen zu können.
    »Feine Lebensart?«, fragte ich verständnislos.
    »Umgangsformen. Bei Tisch und nachher, wenn man dasitzt und sich unterhält.«
    »Wozu?«
    Burrich runzelte die Stirn. »Aus Gründen, die ich nicht verstehe, sollst du Veritas begleiten, wenn er nach Guthaven zu Herzog Kelvar von Rippon reist. Lord Kelvar hat bei der Bemannung der Wachtürme an der Küste nicht mit Lord Shemshy zusammengearbeitet. Shemshy wirft ihm vor, die Türme ganz ohne Wachen zu lassen, so dass nichts die Outislander hindert, daran vorbeizusegeln, vor Ödholm zu ankern und von dort aus Shemshys Dörfer im Herzogtum Shoaks zu überfallen. Prinz Veritas will sich anhören, was Kelvar zu diesen Anschuldigungen vorzubringen hat.«
    Ich wusste sofort Bescheid, denn ganz Burgstadt redete von dieser Sache. Lord Kelvar von Rippon trug die Verantwortung für drei Wachtürme. Die beiden links und rechts der Einfahrt zu Guthaven waren stets ausreichend bemannt. Immerhin schützten sie den besten Seehafen Rippons. Dagegen lag dem Herzog der Turm auf Ödholm erheblich weniger am Herzen, denn
an seiner felsigen Küste gab es nur wenige Dörfer, und beutehungrige Piraten sahen sich überdies der Schwierigkeit gegenüber, ihre Schiffe von den Klippen fernzuhalten, während sie auf Beutezug gingen. Folglich blieb seine Südküste so gut wie unbehelligt. Ödholm selbst beherbergte weiter nichts als Möwen, Ziegen und Muschelbänke. Hingegen war der Turm von größter Bedeutung für die Verteidigung von Südbay im Herzogtum Shoaks. Er überblickte sowohl die inneren als auch die äußeren Fahrrinnen und stand auf einer natürlichen Erhebung, weshalb sein Signalfeuer vom Festland aus gut zu sehen war. Shemshy selbst besaß einen Turm auf der Eierhallig, aber diese kleine Sandbank ragte bei Flut kaum über die Wasseroberfläche, gewährte deshalb keinen nennenswerten Rundblick und musste zudem immer wieder neu eingedeicht werden, besonders nach den gelegentlichen Sturmfluten, die über sie hinwegbrausten. Doch man konnte das Signalfeuer Ödholms sichten und die

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