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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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und Schönheit dahingewelkt waren, so standen ihr in der Zukunft viele Jahre der Einsamkeit und Erniedrigung bevor. Sie brauchte einen Mentor, einen heimlichen Lehrer, jemanden wie Chade, aber vielleicht konnte auch ein Rat von mir ihr helfen. Doch ich musste behutsam vorgehen, denn so viel hatte sie wahrscheinlich gelernt, dass es nämlich unter der Würde einer Herzogin war, einen Rat von einem Hundeburschen anzunehmen.
    Da kam mir eine Erleuchtung. »Ich hatte einen Traum«, begann ich. »Ganz deutlich, wie eine Vorsehung. Oder eine Warnung. Vorhin bin ich mit dem Gefühl aufgewacht, es sei ungeheuer wichtig, sofort in die Küche hinunterzugehen.« Ich ließ meinen Blick in eine unbestimmte Ferne schweifen. Ihre Augen wurden groß. Es war mir gelungen, ihre Aufmerksamkeit zu fesseln. »Ich träumte von einer Frau, die Worte der Weisheit sprach und drei starke Männer zu einem Schutzwall zusammenschmiedete, den die Roten Korsaren nicht zu überwinden vermochten. Sie stand vor ihnen, und Juwelen blitzten in ihren Händen, und sie sagte: ›Lasst die Wachttürme heller strahlen
als die Edelsteine an diesem Geschmeide. Lasst sie einen Perlenkranz um unsere Küsten bilden, so wie diese Perlen meinen Nacken umkränzen. Lasst uns die Burgen zu ihrer alten Stärke ausbauen, zum Schrecken jener, die unsere Heimat bedrohen. Denn ich möchte erhobenen Hauptes im Angesicht des Königs und jedes einfachen Mannes einhergehen können, und jeder soll wissen, diese Befestigungen, die unser Volk vor Gefahren schützen, sind mein schönster Schmuck.‹ Und der König und seine Edlen staunten über ihr weises Herz und ihre Selbstlosigkeit. Doch am meisten wurde sie von ihren Untertanen verehrt, denn sie wussten, ihre Herzogin liebte sie mehr als all ihr Gold und Silber.«
    Meine Rede war unbeholfen und nicht annähernd so geschickt formuliert, wie ich es mir erhofft hatte, es fertigzubringen. Doch sie schmückte in ihrer Fantasie das Gehörte bereits aus. An ihrem Gesicht war abzulesen, wie sie sich ausmalte, stolz und unerschrocken vor den Thronfolger hinzutreten und ihn mit ihrer Opferbereitschaft in Erstaunen zu versetzen. Ich ahnte in ihr den brennenden Wunsch, sich zu beweisen und bewundert zu werden von den Angehörigen der Schicht, der sie entstammte. Vielleicht war sie ein Milchmädchen gewesen oder eine Küchenmagd und wurde von denen, die sie kannten, immer noch als solche angesehen. Nun bot sich die Gelegenheit, ihnen allen zu zeigen, dass sie nicht nur dem Titel nach eine Herzogin war. Sogar in Shoaks würde man ihren Namen nennen. Sänger, die ihre Worte in Liedern verewigten … Und ihr Gemahl - endlich sollte er merken, dass sie des Platzes an seiner Seite würdig war, und in ihr nicht länger nur das hübsche kleine Ding sehen, das sich von seinem Titel blenden ließ. Fast konnte ich die Gedanken hinter ihrer Stirn vorbeiparadieren sehen. Ihr Blick schweifte
in die Ferne, und um ihren Mund lag ein selbstvergessenes Lächeln.
    »Gute Nacht, Junge«, sagte sie leise und schritt aus der Tür. Das Hündchen hatte sie an die Brust gedrückt, und sie trug ihre Decke wie einen Krönungsmantel. Kein Zweifel, sie würde ihre Rolle morgen ausgezeichnet spielen, und es hatte ganz den Anschein, als wäre es mir geglückt, meine Mission zu erfüllen, ohne von Chades weißem Puder Gebrauch machen zu müssen. Zwar hatte ich keine Nachforschungen angestellt, wie es sich tatsächlich mit Kelvars Vassallentreue verhielt, aber ein Gefühl sagte mir, dass von ihm in Zukunft keine unliebsamen Überraschungen mehr zu befürchten waren. Ich mochte Wetten darauf abschließen, dass Rippon seine Wachtürme noch vor dem Ende der Woche sorgfältig ausgestattet und mit umsichtigen Soldaten besetzt hatte.
    Ich stieg die Treppe wieder hinauf und steckte oben den Wachen, die mich wieder in Veritas’ Gemächer einließen, das frische Brot zu, das ich aus der Küche hatte mitgehen lassen. Irgendwo draußen in Seewacht rief jemand die Stunde aus, aber ich hörte nicht hin, sondern kroch wieder zwischen die Decken, gesättigt und in Gedanken bei dem Schauspiel, das die Stadt und den Herzog morgen erwartete. Beim Eindösen schloß ich mit mir selbst eine Wette darauf ab, dass Lady Grazia morgen etwas schlichtes Weißes und ihr Haar offen tragen würde.
    Ich sollte es nie herausfinden. Nur kurze Zeit später, so schien es mir, wurde ich wachgerüttelt, und als ich die Augen aufschlug, sah ich Charim über mich gebeugt. Das flackernde Licht einer Kerze

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