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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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undeutlichen Formen seiner Vorhersagen angeht, besteht keine Einigkeit, ob sich da ein in seinem Volk verbreitetes oder nur ein ihm eigenes Talent manifestiert. Manche sind der Ansicht, er wüsste alles im Voraus und sogar, ob irgendjemand irgendwo anders über ihn redet. Andere meinen, er wäre nur erpicht darauf, sagen zu können: »Ich habe euch gewarnt!«, und dass er seine rätselhaften Orakelsprüche erst im Nachhinein im Sinn des Geschehenen interpretiert und als Prophezeiung ausgibt. Ich will dem nicht widersprechen, doch in vielen, gut belegten Fällen hat er, wenn auch in verschlüsselter Form, Ereignisse vorhergesagt, die später tatsächlich eingetreten sind.
     
    Hunger weckte mich kurz nach Mitternacht. Ich lag wach, lauschte dem Knurren meines Magens und versuchte, wieder
einzuschlafen, aber das hohle Gefühl in meinem Bauch ließ mich nicht ruhen. Endlich stand ich auf und tastete mich zu dem Tisch, auf dem Veritas’ Tablett mit den Pasteten gestanden hatte, doch es war schon weggeräumt worden. Eine Weile hielt ich Zwiesprache mit mir selbst, aber mein Magen siegte über die Stimme der Vernunft.
    Leise öffnete ich die Zimmertür und trat auf den schwach erleuchteten Gang hinaus. Die zwei Männer, die Veritas dort postiert hatte, sahen mich fragend an. »Ich bin am Verhungern«, erklärte ich. »Kennt ihr den Weg zur Küche?«
    Ich habe nie einen Soldaten gekannt, der den Weg zur Küche nicht gekannt hätte. Zum Dank für die Auskunft versprach ich, ihnen etwas Essbares mitzubringen. Auf Zehenspitzen huschte ich den Korridor entlang zur Treppe. Als ich die Stufen zur dunklen Halle hinunterging, fühlte es sich ungewohnt an, statt wie sonst Stein nun Holz unter den Füßen zu spüren. Ich bewegte mich, wie Chade es mich gelehrt hatte, hielt mich im Schatten und ging dicht an der Wand entlang, weil dort nicht damit zu rechnen war, dass die Dielen knarrten. Und das alles kam mir ganz natürlich vor.
    Die wenigen Posten, an denen ich vorbeikam, dösten zumeist vor sich hin und keiner stellte mich zur Rede. Damals schrieb ich das meiner Geschicklichkeit zu, heute frage ich mich, ob sie einen mageren, halbwüchsigen Burschen überhaupt für der Mühe wert hielten.
    Die Küche war leicht zu finden - ein großer, offener Raum mit gekachelten Wänden und einem mit Steinplatten ausgelegten Fußboden, wegen der Brandgefahr. Es gab drei große Herde, in jedem glimmte die für die Nacht sorgsam eingedämmte Glut rötlich vor sich hin. Trotz dieser späten - oder auch frühen -
Stunde brannten mehrere Lampen. In der Küche einer Burg ist niemals wirklich Feierabend.
    Ich sah die zugedeckten Pfannen und roch den zum Gehen hingestellten Sauerteig. Einen großen Topf Gulasch hatte man zum Warmhalten an den Rand eines der Herde geschoben. Ein Blick unter den Deckel zeigte mir, dass es nicht auffallen würde, wenn ein oder zwei Kellen fehlten. Ich kramte nach einer Schüssel und füllte sie mir auf. Von den eingewickelten Brotlaiben auf einer Stellage schnitt ich mir einen Knust herunter, in einer anderen Ecke entdeckte ich die in einem kleinen Wasserfass kühl gehaltene Butter. Keine Delikatessen. Gott sei Dank keine Delikatessen, sondern nur die einfache Hausmannskost, nach der ich mich den ganzen Tag gesehnt hatte.
    Ich hatte meine zweite Schüssel zur Hälfte ausgelöffelt, als ich leise Schritte hörte. Ich setzte mein entwaffnendstes Lächeln auf, in der Hoffnung, Koch oder Köchin hier könnten ebenso weichherzig sein wie die Herrscherin über die Küche von Bocksburg. Doch es war eine Dienstmagd im Nachthemd, die eine Decke um die Schultern und ihr Kind auf dem Arm trug. Sie weinte, und ich wandte unbehaglich den Blick ab, doch sie nahm gar keine Notiz von mir. Nachdem sie den eingewickelten Säugling auf den Tisch gelegt hatte, holte sie eine Schüssel und füllte sie an der Pumpe mit Wasser. Dabei murmelte sie leise vor sich hin. Dann beugte sie sich mit der Schüssel über das Kind. »Hier, mein Liebling, mein süßes Lämmchen. Das wird dir helfen. Frisches, kühles Wasser. Oh, mein Schätzchen, kannst du nicht einmal mehr trinken? Dann mach das Mäulchen auf. Sei lieb und mach das Mäulchen auf.«
    Ich sah zu ihr. Sie hielt in einer Hand die Schüssel und bemühte sich, mit der anderen dem Kind den Mund zu öffnen,
wobei sie rabiater zu Werke ging, als ich es je bei einer Mutter erlebt hatte. Das Wasser schwappte über, während sie versuchte, dem armen Wesen etwas davon einzuflößen. Ich hörte ein

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