Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
seiner Masken war. Als er den Blick hob, hätte ich schwören können, den Krieger Veritas vor mir zu haben. Er ließ mir jedoch keine weitere Zeit zum Nachdenken.
    »Veritas und Kelvar werden zusehen müssen, wie sie allein zurechtkommen, du und ich, wir haben anderswo Geschäfte zu erledigen. Ich erhielt heute Nacht eine Botschaft. Rote Korsaren haben zugeschlagen, hier, in Ingot. So nahe bei Bocksburg, dass es mehr als nur eine Beleidigung ist. Man kann es als Drohung betrachten. Und das ausgerechnet jetzt, wo Veritas sich in Guthaven aufhält. Erzähle mir keiner, sie hätten nicht gewusst, dass er hier ist, weit weg von Bocksburg. Aber damit nicht genug.
Sie haben Geiseln genommen und auf ihre Schiffe verschleppt. Dann ließen sie König Listenreich persönlich eine Nachricht überbringen: Sie verlangen Gold, viel Gold, oder sie werden die Gefangenen in ihr Dorf zurückschicken.«
    »Meinst du nicht eher, dass sie die Gefangenen töten werden, wenn das Gold nicht gezahlt wird?«
    »Nein.« Chade schüttelte unmutig den Kopf, wie ein Bär, der von Bienen belästigt wird. »Nein, die Nachricht war unmissverständlich. Gerade wenn das Gold bezahlt wird, sterben die Gefangenen. Wenn nicht, dann lässt man sie frei. Der Bote war ein Mann aus Ingot, seine Frau und sein Sohn sind unter den Gefangenen. Er beteuerte, jedes Wort wäre richtig.«
    »Aber das ergibt doch keinen Sinn.«
    »Auf den ersten Blick nicht. Aber der Mann, der Listenreich die Botschaft überbrachte, hatte trotz des langen Ritts immer noch am ganzen Leib gezittert. Er konnte es sich selbst nicht erklären und hatte auch keinen Hinweis darauf, was von der Sache wirklich zu halten ist. Er redete nur ständig davon, wie der Kapitän des Schiffes gelächelt hätte, als er ihm die Botschaft auftrug, und wie die Mannschaft sich bei dessen Ultimatum vor Lachen ausschüttete.«
    »Deshalb werden wir uns an Ort und Stelle ein Bild vom Geschehen machen. Und das sofort. Bevor der König auf das Ultimatum antwortet und bevor Veritas davon erfährt. Schau her. Dies ist die Straße, auf der wir gekommen sind. Siehst du, wie sie dem Verlauf der Küste folgt? Und das ist der Pfad, den wir einschlagen werden. Er ist weniger gewunden, dafür steiler und an manchen Stellen so sumpfig, dass er nie von Fuhrwerken benutzt wurde. Ist aber der kürzere Weg für eilige Reisende zu Pferde. Und hier erwartet uns ein Boot, mit dem wir die Bucht
überqueren, das spart Zeit und Kräfte. Da landen wir, und dann geht’s weiter nach Ingot.«
    Ich studierte die Karte. Ingot lag nördlich von Bocksburg; ich fragte mich, wie lange unser Bote unterwegs gewesen war und ob die Roten Korsaren ihre Drohung bis zu unserer Ankunft nicht schon wahrgemacht hatten. Aber diese Spekulationen führten zu nichts.
    »Woher bekommst du ein Pferd?«
    »Von demjenigen, der die Nachricht gebracht hat. Draußen steht ein Brauner mit drei weißen Fesseln - der ist für mich. Der Bote wird auch eine Urenkelin für Lady Quendel besorgen, und das Boot wartet. Also machen wir uns auf.«
    »Eins noch«, sagte ich und ignorierte geflissentlich seinen düsteren Blick wegen der Verzögerung. »Ich muss das wissen, Chade. Bist du hier, weil du mir nicht vertraust?«
    »Eine berechtigte Frage, das sehe ich ein. - Nein. Ich bin hier in der Stadt, um dem Weibergeschwätz zuzuhören, wie du dich in der Burg angestellt hast. Haubenmacher und Knopfhändler wissen möglicherweise mehr als der Ratgeber eines Königs, ohne es überhaupt zu ahnen. Zufrieden? Können wir reiten?«
    Wir verließen das Gasthaus durch die Hintertür, und dort war auch der Braune angebunden. Rußflocke schien ihn nicht besonders leiden zu können, aber sie war ein braves Mädchen und ertrug ihn mit Fassung. Ich spürte Chades Ungeduld, trotzdem ritten wir langsam, bis die gepflasterten Straßen von Guthaven hinter uns lagen. Vor der Stadt fielen die Pferde in einen leichten Trab. Chade übernahm die Führung, und ich staunte, wie gut er im Sattel saß und wie mühelos er verstand, im Dunkeln den Weg zu finden. Rußflocke behagte der hastige Ritt durch die Nacht gar nicht. Wäre nicht schon beinahe Vollmond
gewesen, ich glaube nicht, dass ich sie hätte überreden können, mit dem Braunen Schritt zu halten.
    Ich werde diesen nächtlichen Ritt niemals vergessen. Nicht etwa, weil wir in halsbrecherischem Galopp zur Rettung der Geiseln eilten, sondern gerade aus dem gegenteiligen Grund. Chade dirigierte jeden unserer Schritte, als wären wir

Weitere Kostenlose Bücher