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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Spielsteine auf einem Brett. Er spielte nicht auf Schnelligkeit, sondern auf Gewinn. Deshalb ließen wir die Pferde mehrmals verschnaufen, und wo es ratsam schien, stiegen wir ab und führten sie sicher an tückischen Stellen vorbei.
    Im Morgengrauen machten wir halt und frühstückten den Proviant aus Chades Satteltaschen. Die Hügelkuppe, auf der wir uns befanden, war so dicht bewaldet, dass man den Himmel kaum sah. Ich konnte das Meer zwar hören und riechen, aber dem Auge blieb es verborgen. Unser Weg war zu einem sich schlängelnden Pfad geworden, der in diesen Wäldern kaum mehr als ein Wildwechsel war. Da wir uns jetzt still verhielten, machte sich das Leben um uns herum bemerkbar. Vögel zwitscherten, kleine Tiere raschelten im Unterholz und im Geäst. Chade hatte sich ausgestreckt, sich im weichen Moos niedergelassen und lehnte nun mit dem Rücken an einem Baumstamm. Er nahm einen großen Schluck aus dem Wasserbeutel und ließ dem einen kleineren Schluck aus der Branntweinflasche folgen. Er sah müde aus, und das Tageslicht ließ die Spuren des Alters in seinem Gesicht weit deutlicher werden, als es das Licht einer Lampe je hätte tun können. Ich sorgte mich, ob er diesen Gewaltritt überstehen oder zusammenbrechen würde.
    »Mir geht es gut«, sagte er, als er mich dabei ertappte, wie ich ihn anschaute. »Ich habe mit weniger Schlaf schon weit größere Strapazen durchgestanden. Außerdem erwarten uns auf dem
Boot fünf bis sechs Stunden Ruhe, falls die Überfahrt glatt verläuft. Also hat es gar keinen Zweck, sich jetzt nach Schlaf zu sehnen. Brechen wir auf.«
    Ungefähr zwei Stunden später gabelte sich der Pfad, und wieder nahmen wir die weniger vertrauenserweckende Abzweigung. Schon bald musste ich mich tief über Rußflockes Hals beugen, um den tiefhängenden Zweigen auszuweichen. Unter den Bäumen herrschte eine schwüle Hitze, und dies hier war das reine Paradies für Massen kleiner Stechfliegen, die die Pferde quälten und einem unter die Kleider krochen, um ein Stück blanke Haut zu finden. Als ich endlich so weit war, Chade zu fragen, ob wir uns nicht vielleicht verirrt hatten, hätte ich beinahe einen kleinen Schwarm der Plagegeister verschluckt.
    Gegen Mittag erreichten wir eine vom Wind umtoste Anhöhe, auf der die Bäume lichter beieinanderstanden. Man hatte einen ungehinderten Ausblick auf das Meer, der Wind erfrischte die schwitzenden Pferde und befreite uns von den Fliegenschwärmen. Es war eine Erlösung, einfach nur wieder aufrecht im Sattel zu sitzen. Der Pfad war so breit, dass ich nun neben Chade reiten konnte. Die roten Flecken in seinem Gesicht zeichneten sich auf seiner blassen Haut als scharfe Umrisse ab, und er hatte dunkle Ringe unter den Augen. Wieder fing er meinen besorgten Blick auf und runzelte die Stirn.
    »Statt mich anzustarren wie ein Einfaltspinsel, solltest du mir lieber Bericht erstatten«, meinte er barsch, und ich gehorchte.
    Es war schwierig, gleichzeitig den Weg und sein Gesicht im Auge zu behalten, doch als er zum zweiten Mal vor sich hinschnaubte, sah ich zu ihm hinüber und bemerkte, wie er sich scheinbar köstlich über mich amüsierte. Ich schloss mit meinem Bericht, woraufhin er den Kopf schüttelte.

    »Glück. Dasselbe Glück, das dein Vater hatte. Deine Küchendiplomatie könnte tatsächlich dazu beitragen, alles wieder ins Lot zu bringen, gesetzt den Fall, es steckt nicht doch noch mehr dahinter. Das wenige, was ich an Klatsch gehört habe, passt zumindest dazu. Nun gut. Kelvar war früher ein getreuer Untertan und ein guter Herzog, und es scheint, als habe ihm seine junge Frau nur den Kopf verdreht.« Plötzlich seufzte er. »Trotzdem ist das eine vertrackte Situation: Veritas reist mit großem Gefolge an, um einen Vasallen zu ermahnen, den Küstenschutz nicht weiter zu vernachlässigen, und derweil wird in seiner Abwesenheit ein Dorf ganz in der Nähe von Bocksburg überfallen. Verflucht! Es gibt so viel, was wir nicht wissen. Wie sind die Piraten an unseren Wachtürmen vorbeigekommen, ohne entdeckt zu werden? Woher wussten sie, dass Veritas sich in Guthaven aufhält? Oder wussten sie es nicht und hatten einfach nur Glück? Und was hat dieses merkwürdige Ultimatum zu bedeuten? Ist es eine Drohung, oder will man uns verspotten?« Einige Zeit lang ritten wir schweigend nebeneinander her.
    »Mir wäre lieber, ich wüsste, was Listenreich im Schilde führt. Als er mir den Boten schickte, hatte er noch keinen Entschluss gefasst. Vielleicht kommen wir

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