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Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher

Titel: Fitz der Weitseher 01 - Der Weitseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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ausgezeichneter Pferdekenner. Schon als Junge war er sehr vielversprechend. Er irrt sich selten - wenn es um Pferde geht. Nun aber pass auf, was ich sage. Wir brauchen eine Laterne, um vom Strand nach oben auf die Klippen zu gelangen. Der Pfad ist schlecht, vielleicht müssen wir die Pferde auch einzeln hinaufführen. Aber man hat mir versichert, dass es zu schaffen ist. Von dort reiten wir nach Ingot. Querfeldein, und wie du siehst, bedeutet das gegenüber dem Weg auf der Straße eine Abkürzung. Die Gegend ist hügelig, aber nicht bewaldet. Und wir reiten nachts, also müssen wir uns nach den Sternen orientieren. Ich hoffe, irgendwann nachmittags in Ingot einzutreffen. Wir geben uns als harmlose Reisende aus. Weiter habe ich mir noch keine Gedanken gemacht, wir müssen nach den jeweiligen Gegebenheiten entscheiden, was wir tun …«
    Vorbei war der Augenblick, da ich ihn hätte fragen können, wie es ihm möglich war, Carrissamen zu essen und nicht davon zu sterben, verdrängt von seinen sorgfältig ausgeklügelten Plänen. Noch eine weitere halbe Stunde ließ er sich über die näheren Einzelheiten aus, dann schickte er mich aus der Kajüte - er habe noch andere Vorbereitungen zu treffen. Ich solle nach den Pferden sehen und die Zeit nutzen, um mich weiter auszuruhen.
    Unsere Tiere befanden sich in einer mit Tauen improvisierten Umzäunung an Deck. Stroh schützte die Planken vor ihren
Hufen und Exkrementen. Ein verdrossen aussehender Maat besserte das Stück von der Reling aus, das Rußflocke in ihrer Panik losgetreten hatte. Er schien nicht zum Reden aufgelegt zu sein, und die Pferde waren so ruhig und zufrieden, wie man es unter den Umständen erwarten konnte. Ich unternahm einen kurzen Rundgang über das Deck. Wir befanden uns auf einer länglichen Schaluppe mit flachem Kiel, die ideal für den Handel zwischen den Inseln war. Die Bauweise ermöglichte es ihr, Flüsse hinaufzusegeln oder nahe am Ufer anzulanden, ohne Schaden zu nehmen, aber in tiefem Wasser ließ sie einiges zu wünschen übrig. Sie kam nur mühselig voran und schwankte oft hin und her, gerade so wie eine mit Bündeln und Taschen beladene Bauersfrau auf einem vollen Marktplatz. Ein Matrose gab mir ein paar Äpfel, die ich mit den Pferden teilen sollte, aber auch er war ziemlich mundfaul. Nachdem ich die Äpfel aufgeschnitten und an die Pferde verfüttert hatte, befolgte ich Chades Rat, suchte mir bei ihnen einen Platz im Stroh und ruhte mich aus.
    Die Winde waren uns freundlich gesonnen, und der Kapitän brachte uns dichter an die heraufragenden Klippen heran, als ich für möglich gehalten hätte, aber die Pferde vom Boot ans Ufer zu bringen, das war trotz allem ein zermürbendes Unterfangen. Sämtliche Maßregeln und Warnungen Chades hatten mich nicht darauf vorbereitet, wie schwarz eine Nacht auf dem Meer war. Die Laternen auf Deck vermochten nichts gegen diese Dunkelheit auszurichten. Statt zu helfen, verwirrten sie mich mit ihrem Licht- und Schattenspiel und den flimmernden Reflexen auf den Wellen. Zu guter Letzt ruderte ein Hilfsmatrose Chade im Beiboot ans Ufer, während ich die widerwilligen Pferde ins Wasser trieb und dann selbst hineinsprang, weil ich
wusste, Rußflocke würde sich gegen einen Leitzügel sträuben und wahrscheinlich das Boot zum Kentern bringen. Ich klammerte mich an ihrer Mähne fest und hoffte, dass sie klug genug war, auf den schwachen Lichtschein am Ufer zuzuhalten. Chades Braunen hatte ich an den langen Zügel genommen, weil ich seine rudernden Hufe nicht so dicht bei mir haben wollte. Das Meer war kalt, die Nacht tintenschwarz, und jeder vernünftige Mensch hätte sich sonstwohin gewünscht, doch ein Junge verfügt über die besondere Fähigkeit, auch die natürlichsten Widrigkeiten als aufregendes Abenteuer und persönliche Herausforderung zu sehen.
    Vor Meerwasser triefend, durchgefroren und völlig euphorisch watete ich ans Ufer. Rußflocke hatte ich am Zügel, und Chades Brauner folgte uns ohne viel Zureden aufs Trockene. Bald schon war auch Chade neben mir, brachte die Laterne und lachte übermütig. Der Mann im Beiboot hatte bereits wieder vom Ufer abgestoßen und kehrte zum Schiff zurück. Chade gab mir das Ölzeug mit meinen trockenen Sachen, aber über die tropfnassen Kleider gezogen nützten sie mir nicht viel. »Wo ist der Pfad?«, fragte ich zähneklappernd.
    Chade schnaubte verächtlich. »Pfad? Ich habe mich umgesehen, während du mit den Pferden beschäftigt warst. Das ist kein Pfad, höchstens

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