Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
erleben, dass er sie verliert. Basta. Wir haben deshalb nicht weniger Respekt vor unserem Thronfolger. Du weißt das.« - Ja, ich wusste es. Trotzdem. Ich wandte mich vor ihren fragenden Blicken ab, schüttelte den Kopf und versuchte, meine Gedanken neu zu ordnen. Warum ich? Aber ich wusste genau warum. Als ich am Tor die Beherrschung verloren und die Wächter abgekanzelt hatte, war abzusehen gewesen, dass es zu ei ner Situation wie dieser kommen würde. Ich dachte an Burrichs Warnung, mich nicht zu weit vorzuwagen … »Ich rede mit Kronprinz Veritas. Und mit der Königin, sofern er sein Einverständnis dazu gibt.«
Krakeel zeigte mir wieder ihr strahlendes Lächeln. »Wir wussten, du würdest uns den Gefallen tun. Danke, Fitz.«
Damit wirbelte sie leicht füßig herum und nä herte sich mit halb erhobenem Stab tänzelnd ihrem Partner, der widerwillig zurückwich. Seufzend wandte ich mich von ih nen ab. Ich hatte eigentlich gehofft, Molly zu begegnen, wenn sie hier Wasser holte, aber sie war nicht gekommen, und enttäuscht verließ ich den Küchenhof.
In den letzten paar Tagen hatte ich es zur Meisterschaft darin gebracht, mich selbst zu quälen. Ich blieb standhaft bei meinem Vorsatz, Molly nicht zu besuchen und nicht mit ihr zu sprechen, dennoch konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, sie zu beschatten. Zum Beispiel betrat ich, sobald sie gegangen war, die Küche und bildete mir ein, ich könnte dort noch ihren Duft riechen,
der in der Luft hing. Oder ich suchte mir abends in der großen Halle einen Platz, von dem aus ich sie beobachten konnte, ohne selbst gesehen zu werden. Ganz gleich, was hier an Kurzweil geboten wurde, ob Sänger oder Dichter oder Puppenspieler auftraten oder ob man nur zusammengekommen war, um zu schwatzen und dabei kleine Arbeiten zu verrichten, meine Augen suchten allein Molly. Wie ernst und züchtig sie in ihrem dunkelblauen Rock und der dunkelblauen Bluse aussah! Und nie hatte sie einen Blick für mich. Immer redete sie mit den Burgfrauen, oder an den seltenen Abenden, wenn Philia sich entschloss herunterzukommen, saß sie neben dieser und machte sie zum ausschließlichen Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit, die verleugnete, dass es mich überhaupt gab. Manchmal dachte ich, mein kurzes Zusammensein mit ihr wäre nur ein Traum gewesen. Doch irgendwann später ging ich auf mein Zimmer und holte das Hemd hervor, das ich zuunterst in meiner Kleidertruhe versteckt hatte, und wenn ich dann mein Gesicht darin vergrub, glaubte ich immer noch, einen letzten Hauch ihres Duftes wahrnehmen zu können. Und so übte ich mich in Geduld.
Etliche Tage waren vergangen, seit wir die Entfremdeten auf ihrem Scheiterhaufen verbrannt hatten. Abgesehen von der Gründung der Königinnengarde gab es noch einige Veränderungen innerhalb und außerhalb der Burg. Zwei weitere Schiffsbaumeister waren unaufgefordert erschienen, um bei der Entstehung der Flotte mitzuarbeiten. Veritas war hocherfreut gewesen, Königin Kettricken aber tiefbewegt, denn ihr hatten sie ihre Dienste zuerst angeboten. Sie brachten ihre Gesellen mit, was die Zahl derer, die auf der Werft arbeiteten, nur noch vergrößerte. Nun brannten die Laternen sowohl vor Tagesanbruch als auch nach Sonnenuntergang. Natürlich war Veritas infolgedessen noch häufiger fort von der Burg und Kettricken bei meinen Besuchen dementsprechend noch bedrückter. Vergebens bemühte ich mich, sie mit Büchern
und Ausflügen auf andere Gedanken zu bringen. Meistens saß sie an ihrem Webrahmen, hatte die Hände im Schoß liegen und wurde mit jedem Tag blasser und lust loser. Ihre düstere Stimmung wirkte ansteckend auf ihre Gesellschaftsdamen, so dass es in ihrem Gemach etwa so lustig zuging wie bei einer Totenwache.
Ich hatte auch nicht erwartet, Veritas irgendwann in seinem Arbeitszimmer vorzufinden. Er war natürlich wie immer unten bei seinen Schiffen. Charim teilte ich mit, man möchte mich rufen, wann im mer der Prinz Zeit habe, mich zu emp fangen. Bis ich schließlich entschlossen war, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, indem ich mich ganz nach Chades Rat selbst beschäftigte und gleichzeitig über die Königin wachte. So holte ich Würfel und Kerbhölzer aus meinem Zimmer und machte mich auf den Weg zu den Gemächern der Königin.
Ich hatte vor, sie in die Regeln der Glücksspiele einzuweihen, die sich bei Hof großer Beliebtheit erfreuten. Dies in der Hoffnung, die Liste ih rer Unternehmungen etwas zu bereichern. Meine zweite, uneingestandene
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