Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
und schluckte mei nen Un mut hi nunter. »Wie viel?«, fragte ich kalt.
»So wenig wie möglich, das versichere ich dir. Ich bin es gewohnt, meine eigenen Gedanken abzuschirmen, weniger Übung habe ich darin, die von anderen abzublocken. Besonders die von jemandem, dessen wenn auch unzuverlässige Gabe so stark ausgeprägt ist wie deine. Ich bin nicht mit Absicht Zeuge deiner - Verabredung geworden.«
Er schwieg, und ich wagte nicht zu sprechen. Es ging ja nicht nur darum, dass meine eigene Intimsphäre derart grob verletzt worden war. Aber Molly! Wie sollte ich Molly all dies jemals begreiflich
machen? Noch unerträglicher war mir der Gedanke eines weiteren totgeschwiegenen Moments der Wahrheit zwischen uns. Wie immer machte Veritas seinem Namen Ehre. Der Feh ler lag bei mir. Bedrückt hörte ich weiter zu, als er mit seinen Worten fortfuhr.
»Um die Wahrheit zu sagen, ich beneide dich, Junge. Läge die Entscheidung bei mir, könntest du noch vor dem Abend deine Vermählung feiern. Sollte Listenreich dir heute die Erlaubnis verweigern, bewahre dies in dei nem Herzen und gibt es an Lady Rotrock weiter: Wenn ich König bin, steht es dir frei zu heiraten, wann und wo es dir beliebt. Ich werde dir nicht zumuten, was mir zugemutet wurde.«
Auf einmal begriff ich das volle Ausmaß dessen, was man Veritas vorenthalten hatte. Es ist eine Sache, ei nen Mann zu bedauern, der sich bei der Wahl sei ner Ge mahlin der Staats räson beugen musste. Etwas anderes ist die Erkenntnis, wie ich selbst aus den Armen der Geliebten zu kommen und sich dann mit der Tatsache konfrontiert zu sehen, dass ein Mann, der ei nem nahesteht, niemals die Fülle dessen erfahren wird, was ich mit Molly erlebt hatte. Wie bitter musste es für ihn gewesen sein, einen Blick auf unser Glück zu werfen und zu wissen, dass ihm dies in sei nem Leben niemals vergönnt sein würde.
»Ich danke Euch«, sagte ich ernst.
Er streifte mich mit einem kurzen Blick und lächelte. »Nun ja. Dies ist kein Versprechen, deshalb sollst du nicht da rauf bauen. Aber vielleicht kann ich auch hinsichtlich deines anderen Ersuchens etwas für dich tun. Du hättest keine Zeit mehr, länger als - ›Diplomat‹ tätig zu sein, wenn man eine neue Verwendung für dich fände, die wichtiger wäre.«
»Zum Beispiel?«
»Der Bau meiner Schiffe schreitet gut voran, unter der Hand
der Baumeister nähern sie sich der Vollendung. Und wieder muss ich Verzicht üben. Ich werde nie am Bug meines Flaggschiffs stehen. Oh, der Verstand sagt mir, es muss so sein. Hier ist das Leben des zukünftigen Königs nicht durch die Roten Korsaren bedroht. Hier habe ich die Möglichkeit, die Bewegungen mehrerer Schiffe gleichzeitig zu koordinieren und Hilfe dorthin zu entsenden, wo sie am dringendsten benötigt wird.« Er räusperte sich. »Andererseits werde ich nie den Wind spüren oder sehen, wie er die Segel bläht, und werde nie Gelegenheit haben, gegen die Piraten zu kämpfen, wie ich es möchte, und mit der blanken Klinge Rechenschaft zu fordern für das Leid und das vergossene Blut meines Volkes.« Sein Gesicht war zu einer Maske des kalten Zorns erstarrt. Nach einer kurzen Pause fuhr er ruhiger fort. »Genug davon. Um diese Schiffe wirkungsvoll einzusetzen, muss jedes eine Person an Bord haben, die wenigstens in der Lage ist, meine Anweisungen zu empfangen. Noch besser wäre natürlich, der- oder diejenige wäre auch fähig, mir zu übermitteln, was an Bord des Schiffes vor sich geht. Du hast vorhin gesehen, wie weit meine Kraft nur reicht. Ich kann zwar erkennen, was Menschen denken, doch ich kann ihnen nicht eingeben, was sie denken sollen. Hin und wieder gelingt es mir, jemanden zu finden, der offener für meine Gabe ist, und sein Denken zu beeinflussen. Aber das ist nicht das Gleiche, wie auf eine direkte Frage eine umgehende Antwort zu erhalten.
Hast du je daran gedacht, zur See zu gehen, FitzChivalric?«
Zu sagen, ich wäre verdutzt gewesen, hieße gewaltig zu untertreiben. »Ich - Ihr habt mich gerade daran erinnert, dass auf meine Gabe kein Verlass ist. Und Ihr habt mich erst gestern daran erinnert, dass ich mich trotz aller Mühe, die Hod sich mit mir gegeben hat, immer noch mit den Fäusten kämpfe, statt mit dem Schwert.«
»Und jetzt erinnere ich dich, dass es Mittwinter ist. Es bleiben nicht mehr viele Monate bis zum Frühling. Ich habe dir gesagt, es ist eine Mög lichkeit, mehr nicht. Und ich kann dir da bei auch nur sehr we nig Unterstützung an gedeihen las sen, falls du
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