Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
knackten unter unseren Füßen, feuchte Pflanzenbüschel schlugen uns gegen die Beine. Als wir den Rand der Klippe erreichten, über dem Dröh nen und Rauschen des Ozeans, kletterten wir wie Kinder in ei ner Felsrinne nach unten zu einem kleinen Sandstrand.
Treibholz hatte sich in dieser Bucht angesammelt. Ein Überhang hatte den größten Teil des Regens abgehalten, den wärmenden Sonnenstrahlen jedoch gewährte er Zugang. Molly nahm mir den Proviant und die De cke ab und be fahl mir, Holz zu ho len, allerdings war schließlich sie es, die das Feuer in Gang brachte. Durch das Meersalz brannte es mit grüner und blauer Flamme, und es spendete so viel Wärme, dass wir unsere Umhänge ablegen konnten. Es tat gut, ihr unter freiem Himmel gegenüberzusitzen und zu sehen, wie die Sonne Reflexe in ihr Haar zauberte und der Wind ihre Wangen rötete. Es tat gut, ge meinsam laut zu lachen, unsere Stimmen mit dem Ge schrei der Möwen zu vermischen, ohne je die Furcht zu haben, jemanden aufzuwecken oder auf uns auf merksam zu machen. Wir tran ken den Wein aus der Flasche, aßen mit den Fingern und gingen dann zum Ufer, um uns die klebrigen Hände zu waschen.
Eine Weile kletterten wir auf den Felsen und zwischen dem Treibholz herum und suchten nach vom Meer angeschwemmten Schätzen. Ich fühlte mich zum ersten Mal seit meiner Rückkehr aus den Bergen fast wie mein altes Selbst, und Molly glich wieder dem unbezähmbaren Wildfang aus unserer Kinderzeit. Das Haar hatte sich aus den Flech ten gelöst und flog ihr ums Gesicht. Als sie vor mir weglief, weil ich sie einfangen wollte, rutschte sie aus und stolperte in eine Tidenpfütze. Wir kehrten zu unserem Rastplatz
zurück, wo sie die Schuhe und Unterhose auszog, um sie am Feuer zu trocknen, dann legte sie sich auf die Decke und streckte sich aus.
Kleidungsstücke auszuziehen schien mir plötzlich eine ausgezeichnete Idee zu sein.
Molly war davon nicht so überzeugt. »Der Boden hier be steht aus mindestens ebenso viel Stei nen wie Sand. Ich will nicht den ganzen Rücken voller blauer Flecken haben.«
Ich beugte mich über sie, um sie zu küssen. »Bin ich es nicht wert?«, fragte ich einschmeichelnd.
»Du? Bestimmt nicht!« Sie gab mir ei nen Stoß, und ich fiel auf den Rücken. Ehe ich mich besonnen hatte, kniete sie über mir. »Aber ich bin’s!«
Das Funkeln in ihren Augen, als sie auf mich hinunterschaute, raubte mir den Atem. Nachdem sie mich allerdings sehr ungestüm ins Ziel geritten hatte, musste ich ihr Recht geben, sowohl was die Steine anging, als auch darin, dass sich die blauen Flecken lohnten. Dabei allein schon den son nenhellen Himmel durch den Wasserfall ihrer Haare zu sehen …
Anschließend lag sie halb über mir, und wir dösten in der kühlen, etwas lauen Luft, bis sie sich aufrichtete und fröstelnd wieder in ihre Kleider schlüpfte. Betrübt sah ich zu, wie sie die Bänder an ihrer Bluse schloss, Dunkelheit und Kerzenschein hatten mir zuvor stets zu viel verborgen. Sie bemerkte mei nen versonnenen Blick und streckte mir die Zunge heraus, dann schien ihr eine Idee zu kommen. Mein Haar hatte sich aus dem Zopf ge löst. Sie zog es mir um das Gesicht und legte mir eine Falte ihres roten Umhangs quer über die Stirn, dann begutachtete sie mich kritisch. »Du hättest ein ausgesprochen unscheinbares Mädchen abgegeben.«
Ich schnaubte. »Als Mann mache ich auch nicht besonders viel her.«
Sie zog ein beleidigtes Gesicht. »Du bist durchaus ansehnlich.« Ihr Zeigefinger wanderte bedeutungsvoll über meine Brustmuskeln. »Vor kurzem erst, im Wäschehof, meinten einige Frauen im Gespräch, du wärst das Beste, was man seit Burrich aus den Stallungen gesehen hätte. Ich glaube, es liegt an deinem Haar. Es ist viel seidiger als das von den anderen Männern.« Sie wickelte sich eine Strähne um den Finger.
»Burrich!«, sagte ich ungläubig. »Du willst doch nicht be haupten, die Frauen hätten es auf ihn abgesehen.«
Sie hob eine Augenbraue. »Und wes halb nicht? Er ist gut gebaut, hält es auf Reinlichkeit und weiß sich zu betragen. Er hat gute Zähne und was für Augen! Seine düsteren Stimmungen können einem zwar Angst machen, aber nicht we nige würden sich gerne darum Bemühen, ihm diese Flausen auszutreiben. Die Waschfrauen meinten alle, dass sie ihn si cher nicht von ihrer Bettkante stoßen würden.«
»Aber das alles klingt nicht sehr wahrscheinlich.«
»Nein«, stimmte sie nachdenklich zu. »Auch da rin waren alle einer Meinung. Nur eine
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