Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
waren Bogenschützen. Und es ging sehr … schnell. Vier von uns erwischte es gleich. Mein Pferd wurde von ei nem Pfeil in die Flan ke getroffen. Rötel ist ein junges Tier, er ge riet in Panik und sprang von der stei len Böschung in den Fluss. Das Wasser war tief, die Strömung stark. Ich hielt mich an Rötel fest, aber wir wurden beide fortgerissen. Ich hörte, wie Keen den anderen zurief, sie sollten wegreiten und versuchen, sich nach Bocksburg durchzuschlagen. Keiner von ihnen hat es geschafft. Rötel und ich konnten uns an einer seichten Stelle zurück ans Ufer retten, worauf ich noch einmal zurückgeritten bin. Ich habe die Leichen ge funden. Die Papiere, die Keen bei sich hatte, sind verschwunden.«
Es war die nüchterne Schilderung der Ereignisse, wie sie sich zugetragen hatten. Burrich erwähnte mit keiner Silbe, was es für ihn bedeutet haben musste, Veritas nicht weiter begleiten zu dürfen, oder was er dabei empfand, der einzige Überlebende der Rückkehrer zu sein. Wahrscheinlich würde er sich an diesem Abend sinnlos betrinken, und ich fragte mich, ob er dabei vielleicht Gesellschaft gebrauchen konnte. Vorläufig aber stand er schweigend da und wartete auf ein Wort sei nes Königs. Aber es folgte nur ein lang anhaltendes Schweigen. »Majestät?«, fragte er respektvoll.
König Listenreich wälzte sich in seinem Bettzeug schwerfällig hin und her. »Ich füh le mich an die Tage mei ner Jugend erinnert«, sagte er schließlich heiser. »Einst konnte ich im Sattel sitzen und ein Schwert halten. Wenn ein Mann das verliert … nun, wenn ihm das nicht mehr vergönnt ist, dann hat er so gut wie alles verloren. Aber dein Pferd hat überlebt?«
Burrich runzelte die Stirn. »Ich habe für das Tier getan, was
ich konnte, Majestät. Es wird kei nen dauerhaften Schaden davontragen.«
»Nun, wenigstens das. Wenigstens das.« König Listenreich verstummte. Eine Zeitlang lauschten wir wieder nur seinen schweren Atemzügen. »Geh jetzt und ruh dich aus, Mann«, sagte er schließlich rau. »Du siehst furchtbar aus.« Er verstummte erneut, um zweimal langsam ein- und auszuatmen. »Ich werde dich später wieder rufen lassen. Wenn du dich erholt hast. Ich bin sicher, es gibt noch Fragen …« Seine Stimme verlor sich, und wieder schien er vollauf davon in Anspruch genommen zu sein, einfach nur verzweifelt Luft zu holen. Er konzentrierte sich so sehr und mit aller Kraft auf seine Atmung, wie es nur ein Mensch tut, dessen Schmerzen ins Unermessliche reichen. Ich dachte daran, wie ich mich selbst in der vergangenen Nacht gefühlt hatte. Dann stellte ich mir vor, wie ich an seiner Stelle mit solchen Schmerzen Burrichs bitteren Bericht hätte anhören müssen, ohne mir etwas anmerken zu lassen. Der Narr beugte sich über den König und sah ihm forschend ins Gesicht. Dann schaute er uns an und schüttelte leicht den Kopf.
»Komm jetzt«, sagte ich leise zu Burrich. »Der König hat dir einen Befehl gegeben.«
Als wir hinausgingen, schien er sich noch schwerer auf mich zu stützen, als wäre seine Kraft nun endgültig aufgebraucht.
»Es schien ihn überhaupt nicht zu berühren«, sagte Burrich vorsichtig, als wir uns mühselig den Korridor entlangbewegten.
»Doch. Glaub mir. Es be rührt ihn tief.« Wir hatten die Treppe erreicht. Er zögerte. Es ging noch eine Treppe hinunter, dann durch die Halle, die Küche, über den Hof, in den Stall. Dann schließlich noch die Stiege hinauf zu Burrichs Kammer. Es gab keinen einfacheren Weg.
»Ich bringe dich in mein Zimmer«, sagte ich zu ihm.
»Nein. Das will ich nicht!« Er hörte sich trotzig an wie ein krankes Kind.
»Nur für kurze Zeit. Bis du dich erholt hast.« Er wehrte sich nicht, als ich ihn die Stu fen hinaufbugsierte, was ich als ein Zeichen da für nahm, wie schwach er war. Während ich die Tür aufriegelte, lehnte er an der Wand, dann ließ er sich von mir ins Zimmer helfen. Ich versuchte, ihn zu über reden, sich aufs Bett zu legen, doch er bestand auf dem Lehnstuhl beim Kamin. Sobald er sich niedergelassen hatte, legte er den Kopf zu rück und schloss die Augen. An dem entspannten Gesicht ließen sich erschreckend deutlich die Strapazen der vergangenen Tage ablesen. Seine Knochen zeichneten sich deutlich von dem ausgehungerten Körper ab und seine Haut war nicht etwa bleich, sondern ganz grau.
Er hob den Kopf und schaute sich im Zimmer um, als wäre er zum ersten Mal hier. »Fitz? Hast du etwas Anständiges zu trin ken hier oben?«
Ich wusste, er sprach nicht
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