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Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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die Kammer und schloss die Tür hinter mir. Da stand ich nun, während die Katastrophe endlich in mein Bewusstsein drang. Was ich vorfand, entsprach ganz und gar Molly: Das abgezogene Bett, der ausgefegte Kamin, aber daneben ein kleiner Stapel Holz für den
nächsten Bewohner - Kleinigkeiten, die mir verrieten, dass sie große Sorgfalt darauf verwendet hatte, aus diesem Raum die Erinnerung an sie auszulöschen. Nicht ein Band, nicht eine Kerze, nicht einmal ein Restchen Docht erinnerten an die Frau, die hier das Leben einer Dienstmagd geführt hatte. Der Wasserkrug stand umgedreht im Waschbecken, damit kein Staub hi neinfiel. Ich setzte mich auf ihren Stuhl vor dem kalten Kamin, klappte ihre Truhe auf und spähte hinein. Doch es waren nicht ihr Stuhl, ihr Kamin, ihre Truhe, es wa ren nur Ge genstände, die sie wäh rend ihres kurzen Aufenthalts benutzt hatte.
    Molly war fort.
    Sie kam nicht wieder.
    Ich hatte meine Augen vor der Wahrheit verschlossen, indem ich mich weigerte, an sie zu denken. Doch dieses leere Zimmer öffnete mir die Augen. Ich schaute in mich hi nein und verabscheute, was ich dort sah. Hätte ich nur den Kuss zu rückholen können, den ich auf Zele ritas Fingerspitzen gedrückt hatte! Sollte er Balsam für den verwundeten Stolz eines jungen Mädchens sein, oder war es kalte Berechnung, um sie und ihren Vater an mich zu binden? Ich wusste nicht mehr, was mich dazu bewogen hatte. Weder das eine noch das andere war zu rechtfertigen, beides war falsch, wenn ich nicht ge logen hatte, als ich Molly schwor, sie für im mer zu lieben. Diese eine Geste genügte, um zu beweisen, dass ich all der Dinge schuldig war, die sie mir vorgeworfen hatte. Die Weitseher würden mir immer wichtiger sein als sie. Ich hatte Molly das Heiratsversprechen vor die Nase gehalten wie einen Köder. Dabei hatte ich ih ren Stolz und ih ren Glauben an mich hoff nungslos untergraben. Mit ih rem Weggang hatte sie mir wehge tan. Was sie jedoch nicht hinter sich lassen konnte, war die ungeheuerliche Kränkung ihres Selbstwertgefühls. Ein Leben lang würde sie die Überzeugung mit sich herumtragen, dass sie von einem eigensüchtigen,
lügenhaften Jungen hintergangen und aus genutzt worden war, der nicht einmal den Mut hatte, für sie zu kämpfen.
    Kann aus Verzweiflung Mut erwachsen? Oder war es lediglich Tollkühnheit und der Wunsch nach Selbstzerstörung? Ich ging entschlossen die Treppe hinunter und auf kürzestem Weg zu den Gemächern des Königs. Die Fackeln in den Wandhaltern neben seiner Tür ärgerten mich damit, dass sie blaue Funken sprühten, als ich an ihnen vorbeiging. Etwas zu viel des Guten, Chade. Ob er sämtliche Kerzen und Fackeln in der Burg behandelt hatte? Ich schob den Türvorhang zur Seite und trat ein. Es war niemand da. Weder im Wohngemach noch im Schlafgemach des Königs. Der Raum wirkte kahl, nachdem die halbe Einrichtung entfernt und bereits flussaufwärts verschifft worden war. Man fühlte sich wie in einem Gastzimmer in einem mittelmäßigen Wirtshaus. Es war nichts mehr übrig, das sich zu plündern lohnte, sonst hätte Edel eine Wache an die Tür gestellt. Auf seltsame Weise fühlte ich mich an Mollys Kammer erinnert. Hier waren noch persönliche Gegenstände vorhanden, Bettzeug, Kleidung und so weiter, aber es war nicht mehr das Gemach meines Königs. Ich ging zu einem Tisch und blieb davor stehen, auf genau demselben Fleck, wo ich als kleiner Junge gestanden hatte. Hier, während er frühstückte, hatte Listenreich sich von mir über die Fortschritte in meiner Ausbildung Bericht erstatten lassen und hatte mir jedes Mal, wenn ich mit ihm sprach, zu verstehen gegeben, dass ich sein Untertan war, aber er auch mein König. Der Mann von damals war fort, aus diesem Raum verschwunden. Stiefelspanner, Waffen, herumliegende Schriftrollen, die Unordnung eines tätigen Lebens - all das war ersetzt worden durch Räuchergefäße zum Verbrennen von Kräutern und klebrige Tassen mit Heilkräutertee. Der König Listenreich, wie er einmal war, hatte diesen Raum schon vor langer Zeit verlassen. In dieser Nacht schafften wir einen kranken alten Mann hinaus.

    Ich hörte Schritte, und während ich mich für mei ne Unachtsamkeit verfluchte, schlüpfte ich hinter einen Vorhang und stand stockstill. Gedämpfte Stimmen in den Wohn gemächern. Es war Wallace. Die spöttelnde Antwort kam von dem Narren. Ich verließ mein Versteck, schlich zur Zwischentür und lugte durch den provisorischen Türvorhang. Kettricken saß neben dem

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