Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
lässt, aber in letzter Zeit hat es der Omen zu vie le gegeben, als dass man darüber hinwegsehen könnte. Ich werde gehen und die Wachen holen, weil der Narr nicht den Mut hat …«
»Er jammert und weint, dass die Wachen kommen sollen, um ihn vor Holz zu beschützen, das nicht brennen will, aber ich bin es, der keinen Mut hat? Ach, ich Armer, ich werde verleumdet!«
»Narr, gib Ruhe, ich bitte dich!« Die Königin schien es ernst zu meinen. »Wallace, lass die Wachen, hol einfach nur frisches Holz. Unser König braucht Ruhe, nicht diese Aufregung. Geh.«
Wallace zögerte, offenbar war ihm nicht geheuer bei dem Gedanken, sich ganz allein in das blaue Hexenlicht des Flurs zu wagen.
»Soll ich mitkommen, um dir die Hand zu halten, tapferer Wallace?«, flötete der Narr einfältig vor sich hinlächelnd.
Das genügte. Wallace gab sich ei nen Ruck und verließ das Zimmer. Als seine Schritte verklungen waren, richtete der Narr wieder den Blick auf mein Versteck, doch dieses Mal mit ei ner unmissverständlichen Aufforderung. »Hoheit«, sagte ich leise, und ein tiefes Luftholen war das einzige Zeichen ihrer Überraschung, als ich aus dem Schlafgemach des Königs hervorkam. »Falls Ihr Euch zurückzuziehen wünscht, werden der Narr und ich den König zu Bett bringen. Ich weiß, Ihr seid müde und wolltet Euch heute Abend früh zur Ruhe begeben.« Rosemarie betrachtete mich von ihrem Platz her mit runden Augen.
»Vielleicht sollte ich das tun«, antwortete Kettricken und erhob sich mit überraschender Lebhaftigkeit. »Komm, Rosemarie. Gute Nacht, Majestät.« Rosemarie musste fast laufen, um mit ihrer Herrin Schritt zu halten und schaute auf ih rem Weg zur Tür im mer wieder zu uns zurück.
Sobald der Vorhang hinter ihnen zugefallen war, trat ich zu meinem König. »Majestät, es ist an der Zeit. Ich werde hier Wache halten, während Ihr geht. Gibt es etwas, das Ihr gerne mit Euch nehmen möchtet?« Listenreich schluckte mühsam. Dann richtete er den Blick auf mein Gesicht. »Nein. Nein, hier ist nichts mehr für mich. Nichts, das ich vermissen werde, nichts, das das Bleiben lohnt.« Er schloss die Augen und sprach sehr leise. »Ich habe meine Meinung geändert, Fitz. Ich den ke, ich werde hierbleiben und in meinem eigenen Bett sterben, noch heute Nacht.«
Der Narr und ich wa ren beide für ei nen Moment sprachlos. »Majestät«, sagte ich dann beschwörend, »Ihr seid nur müde.«
»Ja, müde. Seit langem, und ich werde immer müder.« Seine Augen hatten einen seltsam klaren Blick. Der junge König aus der Vergangenheit, den ich ein mal mit sei ner Hil fe und mit dem Sinnen der Gabe kurz berührt hatte, schaute mich aus dieser schmerzgepeinigten Hülle seines alten Körpers an. »Mein Körper versagt
mir den Dienst. Mein Sohn ist zur Natter geworden. Edel weiß, dass sein Bruder lebt. Er weiß, dass die Krone, die er trägt, nicht ihm gebührt. Ich dachte nicht, dass er … Ich glaubte, im letzten Augenblick würde er sich be sinnen …« Trä nen rannen über sei ne faltigen Wangen. Ich hatte meinen König vor ei nem ungetreuen Prinzen retten wollen. Ich hätte wissen müssen, dass es unmöglich ist, einen Vater vor dem Verrat seines Sohnes zu bewahren. Er streckte mir die Hand entgegen, eine Hand, die einst kraftvoll einen Schwertgriff umfasst hatte und nun zu ei ner knochigen, gelblichen Kralle abgemagert war. »Ich möchte Veritas Lebwohl sagen. Er soll von mir erfahren, dass ich nicht gewollt habe, was geschehen ist. Lass mich we nigstens das noch für ei nen Sohn tun, der mir immer die Treue gehalten hat.« Er wies auf den Platz zu seinen Füßen. »Komm, Fitz. Bring mich zu ihm.«
Gegen diesen Befehl gab es keinen Widerspruch. Ich zögerte nicht und kniete nieder. Der Narr stand hinter dem König, Tränen zogen graue Bah nen durch die weiße und schwarze Farbe auf seinem Gesicht. »Nein«, sagte er drängend, »Majestät, erhebt Euch, verstecken wir uns. Dann könnt Ihr Eu ren Entschluss überdenken. Ihr braucht Euch nicht schon jetzt zu entscheiden.«
Listenreich hörte nicht auf ihn. Er legte mir die Hand auf die Schulter, und ich öff nete ihm meine Kraft als Mitt ler. Endlich hatte ich gelernt, es willkürlich zu tun, doch freuen konnte ich mich nicht darüber. Gemeinsam tauchten wir ein in den schwarzen Gabenfluss und drehten uns in der Strömung, während ich darauf wartete, dass er die Richtung vorgab. Stattdessen umarmte er mich plötzlich. Sohn meines Sohnes, Blut von meinem Blut. Auf meine Art
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