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Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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zu erkennen vermochten. Hods Zeichen. Die Waffenmeisterin hatte dieses Messer für ihren König gefertigt. Und er hatte es in Ehren gehalten.
    Eine Erinnerung regte sich im Hintergrund meines Bewusstseins. »Wir sind Werkzeuge«, hatte Chade einst zu mir gesagt. Ich war das Werkzeug, das er für den König geschmiedet hatte. Der König hatte mich angesehen und sich gefragt: Was habe ich aus dir gemacht? Ich brauchte mir diese Frage nicht zu stellen. Ich war des
Königs Assassine, und das auf mehr als nur eine Weise. Doch heute wollte ich ihm ein letztes Mal und in der reinsten Form meinen Dienst erweisen, für den er mich bestimmt hatte.
    Jemand hockte neben mir. Chade. Langsam drehte ich den Kopf, um ihn anzusehen. »Carrissamen«, sagte er. »Keine Zeit für Elfenrinde. Komm, ich bringe dich auch in unser Versteck.«
    »Nein.« Ich nahm den kleinen Kuchen aus Carrissamen und Honig, steckte ihn in den Mund und kaute sorgfältig, um die volle Wirkung der Körner freizusetzen. Dann schluckte ich den süßen Brei hinunter. »Geh«, sagte ich zu Chade. »Ich habe eine Aufgabe zu erfüllen und du eben falls. Burrich wartet. Bald wird man Alarm geben, des halb beeil dich. Bring die Königin hi naus, bevor zur Jagd geblasen wird. Ich werde derweil hier für Beschäftigung sorgen.«
    Er stand auf. »Lebwohl, Junge«, sagte er schroff und bückte sich, um mich auf die Stirn zu küssen. Er erwartete nicht, mich lebend wiederzusehen.
    Damit waren wir schon zwei.
    Noch bevor ich erneut das Knirschen hörte, mit dem der geheime Zugang sich schloss, machte sich die Wirkung des Carrissamens be merkbar. Ich hatte schon früher beim Frühlingsfest Erfahrungen damit gemacht, so wie alle anderen. Eine kleine Menge davon, eben so wie sie sich zwischen Daumen und Zeigefinger fassen lässt, auf ei nen gezuckerten Kuchen gestreut, macht nur leicht ums Herz. Burrich hatte mich gewarnt, dass Rosstäuscher ihren Gäulen gerne Carrisöl ins Futter mischten, um bei einem Rennen zu gewinnen oder auch damit ein krankes Pferd bei der Versteigerung einen guten Eindruck machte. Er hatte mich aber davor gewarnt, dass das Tier, sofern es überlebte, hinterher in den meisten Fällen nie wieder so sein würde wie vorher. Ich wusste, dass Chade gelegentlich Gebrauch davon machte, und ich hatte ihn umfallen sehen wie ei nen Stein, wenn die Wirkung nachließ. Trotz allem
zögerte ich jetzt nicht. Vielleicht hatte Burrich mit sei nem Urteil über mich Recht ge habt. Ich suchte die Ekstase der Gabe und die Erregung aus dem Rausch der Jagd. Kokettierte ich nur mit meiner Selbstzerstörung, oder sehnte ich sie förmlich herbei? Ich hatte nicht lange Zeit, mir darüber den Kopf zu zerbrechen, denn nun ergriff die Droge von mir Besitz. Meine Kraft war die Kraft von zehn Männern, und mein Herz war das eines Adlers. Ich sprang auf und tat einen Schritt zur Tür, wandte mich dann jedoch noch einmal um.
    Ich kniete vor meinem toten König nieder und hob sein Messer an meine Stirn. »Eure eigene Klinge soll Euren Tod rächen«, gelobte ich, küsste seine Hand und ließ ihn in in dem Feuerschein seines leeren, stillen Gemachs zurück.
    Wenn ich schon die blaue Fun ken versprühenden Kerzen für unheimlich gehalten hatte, dann übte der blaue Schein der Fackeln im Korridor noch einen ganz anderen Zauber aus. Es war, als befände man sich in einer unwirklichen Unterwasserwelt. Ich lief zur Treppe. Unten konnte ich Wallaces laute Stimme hören, die alle anderen übertönte. Er jammerte etwas von blauen Flammen und dem Narbenmann. Es war gar nicht so viel Zeit vergangen, wie ich geglaubt hatte. Ich fand eine unverschlossene Tür, schlüpfte hindurch und wartete. Sie brauchten eine Ewigkeit, um die Treppe hinaufzukommen und noch länger, bis sie an mei nem Zimmer vorüber waren. Ich ließ sie bis zum Ge mach des Königs kommen. Als ich die Alarm rufe hörte, verließ ich mit ei nem Satz mein Ver steck und jagte die Stufen hinunter.
    Jemand rief etwas hinter mir her, aber kei ner nahm die Verfolgung auf. Erst als ich am Fuß der Treppe war, hörte ich eine Stimme den Befehl geben, mich zu ergreifen. Ich lachte laut. Als ob sie das könnten! Die Burg war ein Labyrinth aus Hintertreppen und Seitengängen, doch nicht für einen Jungen, der hier aufgewachsen
war. Ich kannte mein Ziel, aber ich gedachte nicht, meine Verfolger dorthin zu führen. Ich rannte wie ein Fuchs durch die Burg, erschien kurz in der großen Halle, preschte über das Kopfsteinpflaster des Wäschehofs,

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