Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
ihr nicht schmeckte, dass einer der anderen Lehrlinge immer nach altem Schweiß roch und dass eine Frau sie heftig zu kneifen pflegte, um sie an ihren Einsatz zu erinnern.
Selbst Tassins Klagen hörte ich gern zu. Sie lenkten mich von meinen ungleich größeren Probleme ab. In gewisser Weise war es wie das Zusammensein mit dem Wolf. Tassin lebte im Jetzt und im Augenblick, ohne sich über das Morgen und Übermorgen den Kopf zu zerbrechen. Meine Gedanken schweiften zu Nachtauge, und behutsam spürte ich zu ihm hin. Ich konnte ihn fühlen, irgendwo, lebendig, aber nur wenig mehr als das. Vielleicht trennte uns eine zu große Entfernung, vielleicht war er zu sehr von seinem neuen Leben in Anspruch genommen. Was auch immer der genaue Grund sein mochte, sein Bewusstsein war mir nicht mehr so leicht zugänglich wie früher. Möglicherweise passte er sich einfach mehr und mehr seinen Artgenossen an. Ich versuchte mich zu freuen, dass er dieses ihm gemäße Leben gefunden hatte, inmitten von seinesgleichen und vielleicht sogar schon mit einer Gefährtin.
»Woran denkst du?«, fragte Tassin.
Sie sprach so leise, dass ich antwortete wie im Traum, während ich ins Feuer starrte. »Dass man sich manchmal doppelt einsam fühlt, wenn man weiß, dass es den Freunden und der Familie in der Ferne gutgeht.«
Sie zuckte die Schultern. »Ich versuche, nicht an sie zu denken. Bestimmt hat mein Freier ein anderes Mädchen gefunden, dessen Eltern bereit waren, auf den Brautpreis zu warten. Und meine Mutter... - Ich nehme an, ohne mich ist es ihr besser ergangen. Sie war noch nicht sehr alt, bestimmt hat sie einen neuen Mann gefunden.« Tassin reckte sich mit katzenhafter Geschmeidigkeit; dann schaute sie mir offen ins Gesicht und fügte hinzu: »Es hat keinen Zweck, über Dinge nachzudenken, die weit weg und unerreichbar sind. Davon wird man nur unglücklich. Man muss zufrieden sein mit dem, was man haben kann.«
Unsere Blicke kreuzten sich. Ihr Blick war dabei unmissverständlich, was mich zunächst ziemlich schockierte. Dann beugte sie sich vor und nahm mein Gesicht sanft in beide Hände. Sie schob mir das Tuch vom Kopf, grub die Finger in mein Haar und schaute mir tief in die Augen, während sie sich mit der Zungenspitze über die Lippen strich. Gebannt wie die Maus vor der Schlange, ließ ich zu, dass ihre Hände an meinem Nacken hinunterglitten, auf meine Schultern, und dass sie sich schließlich vorbeugte und mich küsste. Sie roch wie süß-würziger Weihrauch.
Ich begehrte sie mit solcher Plötzlichkeit, dass mir schwindelig wurde. Nicht als Tassin, sondern als Frau voller Zärtlichkeit und Wärme. Es war pure Lust, die mich durchströmte, und doch auch etwas ganz anderes, ein Gefühl wie der Hunger nach der Gabe, der einen Mann mit der Gier nach Nähe und nach vollkommenem Einssein mit der Welt förmlich auffrisst. Meine Einsamkeit machte mich unaussprechlich müde.
Tassin stieß einen überraschten Seufzer aus, als ich sie heftig umfasste und an mich zog. Ich küsste sie, als könnte ich sie verschlingen und mich dadurch weniger einsam fühlen. Auf einmal lagen wir auf dem Boden, und sie gab kleine erregte Laute von sich, bis sie plötzlich anderen Sinnes zu werden schien und mir die flachen Hände gegen die Brust drückte. »Warte einen Augenblick«, zischte sie, »warte. Ich liege auf einem Stein, und ich will meine Kleider nicht verderben. Gib mir deinen Umhang...«
Ich schaute ungeduldig zu, wie sie meinen Umhang neben dem Feuer ausbreitete, sich hinlegte und auf den Platz neben sich deutete. »Nun, magst du nicht zu mir kommen?«, fragte sie kokett. Und mit lüsterner Stimme fügte sie hinzu: »Ich will dir zeigen, was ich alles für dich tun kann.« Sie strich mit den Händen über ihre Brüste und an ihrem Leib hinunter, damit ich mir vorstellen sollte, ich wäre es, der sie streichelte.
Wenn sie geschwiegen hätte, wenn sie einfach nur von dem Umhang zu mir aufgeblickt hätte... - aber ihre Frage und ihr aufreizendes Benehmen brachen den Bann. Die Illusion von Zärtlichkeit verflog. Dies hier ähnelte mehr der Herausforderung zu einem Kräftemessen im Stockfechten auf dem Übungsplatz. Ich bin nicht besser als sonst ein Mann. Ich wollte nicht nachdenken, nicht überlegen. Ich wünschte mir, ich wäre fähig, mich auf sie zu stürzen und mich in ihr zu verlieren; doch stattdessen hörte ich mich fragen: »Und was, wenn ich dir ein Kind mache?«
»Oh«, und sie lachte unbekümmert, als hätte sie daran gar nicht
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