Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
sperrig und ließ sich nur mühsam drehen, doch er öffnete die Schlösser. Mit zusammengebissenen Zähnen nahm ich die Schellen ab, die sich tief in mein wundes und geschwollenes Fleisch gegraben hatten. Mein linker Fuß war kalt und nahezu gefühllos. Die enge Fessel hatte die Blutzufuhr unterbunden. Erst nach einiger Zeit kehrte mit einigen Schmerzen das Leben in ihn zurück. Ich achtete nicht besonders darauf, denn viel wichtiger war es für mich, endlich Wasser zu finden.
Die meisten der Soldaten hatten während ihres qualvoll langsamen Sterbens ihre Wasserschläuche bis zum letzten Tropfen geleert, so wie ihnen mein Gift den letzten Tropfen Flüssigkeit aus den Därmen gepresst hatte. Der Behälter, den der Junge mir gezeigt hatte, enthielt nur noch einen kleinen Rest Flüssigkeit. Ich trank sehr langsam und behielt das Wasser lange im Mund, bevor ich schluckte. Dann entdeckte ich in Kujons Satteltasche eine Flasche Branntwein. Ich gestattete mir einen bescheidenen Schluck, worauf ich sie wieder verkorkte und zur Seite legte. Es war nicht viel mehr als ein Tagesmarsch zurück zum Wasserloch. Das konnte ich schaffen. Ich musste es schaffen.
Die Toten gaben mir, was ich brauchte. Ich durchsuchte ihre Satteltaschen und all ihre Bündel an den zu einem Haufen zusammengetragenen Sätteln. Als ich fertig war, trug ich ein blaues Hemd, das mir zwar an den Schultern passte, aber im Saum bis zu den Knien hinunterhing. Ich hatte Trockenfleisch und Korn, Linsen und Erbsen als Proviant. Ich hatte mein altes Schwert zurückgewonnen, das mir am besten in der Hand lag, dazu Kujons Messer, einen Spiegel, einen kleinen Topf, einen Becher und einen Löffel. Abgesehen von den Waffen legte ich alles zusammen mit Kleidern zum Wechseln (die mir zu groß waren, aber immerhin besser als nichts) auf eine ausgebreitete Decke. Kujons Umhang würde mir ein gutes Stück zu lang sein; doch er schien mir immer noch der beste, und deshalb nahm ich ihn mit. Einer der Männer hatte etwas Verbandsstoff und Heilsalbe bei sich gehabt. Beides fügte ich meiner Ausrüstung hinzu, außerdem einen leeren Wasserschlauch und Kujons Flasche mit Branntwein.
Ich hätte bei den Toten noch nach Geld und Schmuck suchen und mich damit um ein Dutzend weiterer, unter Umständen nützlicher Gegenstände belasten können, aber ich wollte nichts weiter als das, was zum Überleben nötig war.
KAPITEL 13
AM BLAUEN SEE
D er Blaue See ist der Endpunkt des Flusses Kalt. Blauer See ist auch der Name der größten Ortschaft an seinen Ufern. In den ersten Jahren von König Listenreichs Regierungszeit war die Gegend an der Nordostseite des Sees berühmt für ihre Kornfelder und Plantagen. Eine auf dem dortigen Boden wachsende Traube lieferte einen Wein mit unvergleichlichem Bukett. Wein dieser Herkunft war nicht nur in den Sechs Provinzen begehrt, sondern wurde fässerweise bis nach Bingtown exportiert. Dann kamen die langen Dürrezeiten und nach ihnen die großen Flächenbrände. Die Bauern und Winzer der Region erholten sich nie von diesem Rückschlag. In der Folge verlegte Blauer See sich zunehmend auf den Handel. Das heutige Blauer See ist eine Kaufmannsstadt, ein Warenumschlagplatz, wo die Trecks aus Farrow und den Chalced-Staaten zusammentreffen, um Erzeugnisse aus dem Bergreich einzukaufen. Während des Sommers herrscht auf den ruhigen Wassern des Sees ein reger Verkehr von Booten und Kähnen aller Art, doch im Winter vertreiben die Stürme aus den Bergen die Schiffer und setzen dem Handel auf dem Wasser ein vorübergehendes Ende.
Am klaren Nachthimmel stand ein riesiger orangefarbener Mond. Ich ließ mir von den Sternen den Weg weisen, wobei ich mich staunend daran erinnerte, dass dies dieselben Sterne waren, die vor Jahren meinen Weg beschienen hatten, als ich mit Burrich von Jhaampe nach Bocksburg zurückgekehrt war. Nun geleiteten sie mich wieder in die Berge.
Ich marschierte die ganze Nacht hindurch. Nicht besonders schnell und mit Ruhepausen, aber jedes Mal, wenn die Müdigkeit mich zu übermannen drohte, trieb ich mich wieder an, denn nur am Wasser würde ich meine Wunden versorgen und neue Kräfte sammeln können. Beim Gehen befeuchtete ich einen Verbandstreifen mit Kujons Branntwein und betupfte mein Gesicht. Ich hatte im Spiegel einen kurzen Blick auf die Bescherung geworfen. Es war nicht zu übersehen, dass ich wieder einen Kampf verloren hatte. Das meiste waren Prellungen und kleinere Platzwunden, die ganz ausheilen würden. Der Schnaps
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