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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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machte, nach der Nadel zu greifen, legte Burrich sie behutsam auf den Tisch.
    Plötzlich war mir alles klar. Er war noch einmal zur Hütte hinaufgestiegen, um mich vielleicht diesmal zu treffen und mir zu sagen, dass ich eine Tochter hatte. Doch was hatte er vorgefunden? Einen verwesten Leichnam, inzwischen vermutlich nicht viel mehr als blankgenagte Knochen, daran Fetzen meines Hemdes, und im Kragen steckte die Nadel. Der Entfremdete war dunkelhaarig gewesen, ungefähr so groß wie ich und in meinem Alter.
    Burrich glaubte, ich sei tot. Wirklich und wahrhaftig tot. Und er trauerte um mich.
    Burrich! Burrich, bitte, ich bin nicht tot. Burrich, Burrich!
    Ich rüttelte heftig an seinem Bewusstsein und rannte mit meiner Gabenkraft wütend gegen ihn an, doch wie immer gelang es mir nicht, ihn zu erreichen. Mit einem Ruck erwachte ich, schweißgebadet, zitternd, und betastete mein Gesicht, Arme und Brust, um mich zu vergewissern, dass ich kein Geist war. Zweifellos war Burrich inzwischen auch zu Chade gegangen. Sie mussten mich beide für tot halten. Bei dem Gedanken wurde mir kalt. Ein unheilvolles Omen, wenn man von allen Freunden für tot gehalten wurde.
    Ich rieb mir mit den Fingerspitzen die Schläfen. Die unvermeidlichen Kopfschmerzen kündigten sich an. Plötzlich merkte ich, dass meine sämtlichen Schutzwehre gesenkt waren, während ich mit aller verfügbaren Gabenkraft zu Burrich gedacht hatte. In größter Hast errichtete und befestigte ich meine Wälle neu, bevor ich mich wieder in der kalten Dunkelheit zum Schlaf zusammenrollte. Diesmal hatte Will nicht meine Witterung aufgenommen; aber ich konnte es mir trotzdem nicht leisten, derart unvorsichtig zu sein. Mochten meine Freunde mich für tot halten, meine Feinde wussten es besser. Ich musste meine Mauern geschlossen halten, unter keinen Umständen durfte Will einen Weg in mein Bewusstsein finden. Zu den anderen Schmerzen gesellte sich nun der pochende Schmerz in meinem Kopf, doch ich war zu müde, um aufzustehen und Tee zu kochen. Außerdem hatte ich keine Elfenrinde, nur die unerprobten Samen der Kräuterfrau aus Fierant. Ich genehmigte mir den Rest von Kujons Branntwein und legte mich wieder schlafen. Am Rande des Bewusstseins träumte ich von Wölfen, die durch die Nacht liefen. Ich weiß, dass du lebst. Ich werde zu dir kommen, wenn du mich brauchst. Rufe mich. Die Gedankenberührung war schwach, aber echt. Ich klammerte mich an diese freundliche Gewissheit, während ich langsam in den Schlaf hinüberglitt.
    In den darauffolgenden Tagen wanderte ich weiter zu Fuß zum Blauen See und hatte den Wind als ständigen Begleiter. Es wehte von überallher Sand heran. Die Landschaft bestand aus Felsen und Geröll, dichtem Gestrüpp mit seinen raschelnden Blättern, niedrigen, dickblättrigen Sukkulenten, und weit in der Ferne glänzte die Wasserfläche des großen Sees. Anfangs war der Pfad nicht mehr als eine schrundige Narbe in der garstigen Oberfläche der Ebene, wobei die vielen Hufabdrücke und die langen Furchen der Wagenspuren von dem ständig wehenden kalten Wind wie abgeschliffen wirkten. Doch je näher ich dem See kam, desto grüner und freundlicher wurde die Gegend. Die Piste ähnelte immer mehr einer Straße. Der Wind brachte jetzt Regen, harten, prasselnden Regen, der mir wie Hagel entgegenschlug. Ich fühlte mich nie mehr richtig trocken.
    Nach Möglichkeit vermied ich Kontakt mit den anderen Reisenden auf der Straße. Verbergen konnte ich mich nicht vor ihnen, aber ich tat mein Bestes, uninteressant und abweisend auszusehen. Reitende Boten galoppierten vorbei, die sich auf dem Weg nach Blauer See oder zurück nach Fierant befanden. Sie hatten keinen Blick für mich, aber das war nur ein schwacher Trost. Früher oder später würde jemand die unbestatteten Leichen von fünf Soldaten der königlichen Garde finden und sich wundern. Und dann waren da noch Creece und Merle: Die Geschichte von dem Bastard, der unerkannt ihr Reisebegleiter gewesen war, bis die Soldaten ihn mitten unter ihnen ergriffen, war zu großartig, als dass sie darauf verzichten würden, sie überall und nach besten Kräften zu verbreiten.
    Je näher ich Blauer See kam, desto reger wurde der Verkehr auf der Straße und umso mehr konnte ich mich in der Menge sicher fühlen. Das fette Grasland war durchsetzt mit Gehöften und sogar kleinen Weilern. Man konnte ihre Häuser mit den länglichen Buckeln und ihren aus den Schornsteinen sich emporkräuselnden Rauchfahnen schon aus großer

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