Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
aber langsamer als zuvor. Ich konnte dabei inzwischen an der Frau, die mein Pferd an der Leine führte, den säuerlichen Geruch von Schweiß und Erbrochenem riechen.
An einem flachen Abhang stürzte Joff aus dem Sattel in den Staub. Ich stieß meiner Stute die Fersen in die Weichen, aber sie tänzelte nur zur Seite und legte die Ohren an. Sie war dazu erzogen stehen zu bleiben, wenn die Zügel auf den Boden hingen. Kaum hatte Kujon das Zeichen zum Halt gegeben, als alle seine Leute halb von den Pferden rutschten, halb fielen. Einige mussten sich übergeben, andere sanken an Ort und Stelle kraftlos zu Boden. »Schlagt das Lager auf«, befahl Kujon, obwohl es erst Nachmittag war, dann ging er ein Stück beiseite, hockte sich hin und übergab sich selbst. Joff dagegen stand nicht wieder auf.
Es war Kujon, der kam, um meine Handgelenke vom Sattelknauf loszuschneiden. Als er mit einem Ruck an der Kette zog, wäre ich fast auf ihn herabgestürzt. Vom Pferd abgestiegen torkelte ich ein paar Schritte vor mich hin, sank auf die Knie und presste dann die Hände auf den Bauch. Er kauerte sich neben mir nieder und packte mich am Genick. Sein Griff war unbarmherzig fest, und doch konnte ich spüren, dass seine Kraft zu schwinden begann. »Was glaubst du, Bastard?«, fragte er mich mit heiser grollendem Unterton. Er kam mir sehr nahe. Sein Atem und sein Körper stanken nach Krankheit. »War es verdorbenes Wasser? Oder etwas anderes?«
Ich stieß Würgelaute aus und ließ mich gegen ihn sinken, als müsste ich mich übergeben. Er stieß mich weg, stand auf und entfernte sich mit schleppenden Schritten. Nur zwei von seinen Soldaten hatten sich aufgerafft und ihre Pferde abgesattelt, die anderen lagen mehr tot als lebendig auf dem Boden. Kujon ging zwischen ihnen umher und verfluchte sie voller Inbrunst, aber völlig vergeblich. Einer der Männer, der noch bei Kräften war, machte sich schließlich daran, ein Feuer anzuzünden, während ein anderer sich im Schneckentempo die Reihe der Pferde entlangarbeitete, aber wenig mehr tat, als ihnen die Sättel abzunehmen. Kujon kam zu mir heran, um die Kette zwischen meinen Fußschellen anzubringen.
Es gab zwei weitere Todesfälle an diesem Abend. Kujon selbst schleifte die Leichen beiseite, doch zu mehr hatte er selbst nicht mehr die Kraft. Das mühsam in Gang gebrachte Feuer erlosch bald wieder, weil sich niemand mehr darum kümmern konnte. Die Nacht über der weiten Ebene erschien mir schwärzer als alles, was ich je gesehen hatte, und die trockene Kälte war Teil der Finsternis. Ich hörte das Stöhnen der Männer, das bald in ein unaufhörliches Jammern überging. Dazu die rastlosen Bewegungen der Pferde, die nicht getränkt worden waren. Sehnsüchtig dachte ich an Wasser und Wärme. Mich selbst peinigten allerlei Schmerzen. Meine Handgelenke waren von den Eisenschellen aufgescheuert bis aufs rohe Fleisch. Sie schmerzten zwar weniger als meine Schulter, aber sie brachten ein schwelendes Brennen mit sich, das sich nicht einfach verdrängen ließ. Ich vermutete, dass mein Schulterblatt zumindest angebrochen war.
Kujon näherte sich schwankend wie ein Betrunkener. Seine Augen lagen tief in den Höhlen, und seine Wangen waren eingesunken. Er fiel neben mir auf die Knie und krallte die Finger in mein Haar. Ich stöhnte. »Stirbst du, Bastard?«, fragte er heiser. Ich stöhnte erneut auf und machte einen schwächlichen Versuch, mich zu befreien. Er schien zufrieden zu sein. »Gut. Dann ist es gut. Ein paar haben gesagt, es wäre dein Fluch, der uns umbringt, aber ich glaube, schlechtes Wasser vermag einen jeden Menschen zu töten, ob er nun ein verfluchter Hexer sei oder ein Ehrenmann. Dennoch. Diesmal wollen wir sichergehen.«
Es war mein eigenes Messer, das er zückte. Als er mir den Kopf nach hinten riss, um meine Kehle zu entblößen, schmetterte ich ihm meine Fäuste mitsamt den Handschellen und der Kette mitten ins Gesicht. Gleichzeitig stemmte, nein, rammte ich mich gegen ihn mit aller Kraft der Alten Macht, die ich aufbringen konnte. Sein Griff löste sich, und er kippte nach hinten. Erst rührte er sich nicht, dann begann er von mir wegzukriechen, doch nach wenigen Metern fiel er auf die Seite und blieb erneut liegen. Ich hörte seinen röchelnden Atem. Schließlich war er still. Ich schloss die Augen, lauschte der eingetretenen Stille und fühlte die Abwesenheit seines Lebens wie Sonnenschein auf meinem Gesicht.
Nach einer Weile, es war bereits Tag geworden, sammelte ich meine
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